Hier holt sich Wolfgang Sobotka seinen Applaus
Wolfgang Sobotka beim Neujahrskonzert 2016 im Festspielhaus St.Pölten – damals noch als Landeshauptmann-Stellvertreter. Foto: Gerald Lechner
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Dominik Ritter-Wurnig
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Hier holt sich Wolfgang Sobotka seinen Applaus

Auch dieses Jahr dirigiert Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka wieder ein Neujahrskonzert im Festspielhaus St. Pölten. Das wirft die Frage auf: Wo verlaufen die Grenzen zwischen politischer Landschaftspflege und Vorteilsannahme?


Auch der unbeliebteste Politiker will geliebt werden. Laut APA-OGM-Vertrauensindex gibt es mit Abstand keinen Politiker oder keine Politikerin, dem oder der das Wahlvolk weniger vertraut als Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka. Der ehemalige Musikschullehrer holt sich seine Liebesdusche traditionell beim Neujahrskonzert mit seinem Kammerorchester Waidhofen an der Ybbs. Am 2. Jänner 2024 ist wieder so weit. Im Frack gekleidet wird Sobotka als Letzter die Bühne betreten. Als Dirigent bekommt er einen Extraapplaus. Am „schwungvollen Programm mit Werken der Strauß-Dynastie“ wird niemand etwas auszusetzen haben. 

Am Neujahrskonzert des Kammerorchesters Waidhofen ist kaum etwas berichtenswert. Bemerkenswert ist, wer das Konzert veranstaltet und bezahlt: die Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien. Traditionell steht die Raika der Politik und insbesondere der ÖVP nahe. Zuletzt stand etwa die Raiffeisen Bank International – die Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien ist deren größter Aktionär – wegen des Russland-Geschäfts unter starkem politischen Druck.  

Wolfgang Sobotka hat als Nationalratspräsident das dritthöchste Amt im Staat inne. Dass eine Bank seinem Orchester und ihm ein Konzert auf der wichtigsten Bühne des größten Bundeslandes spendiert, zeugt von einem unsauberen Politikverständnis und könnte als ungebührlichen Vorteil ausgelegt werden. In jedem Fall hat das St. Pöltner Get-together ein ordentliches Geschmäckle.

Kosten in fünfstelliger Höhe

Das Konzert ist kein offizieller Teil des Festspielhausprogramms. Das renommierte Tonkünstler-Orchester spielt schon am Vortag sein Neujahrskonzert im Festspielhaus. Veranstalter des Neujahrskonzertes des Kammerorchesters Waidhofen an der Ybbs ist die Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien. Das Festspielhaus St. Pölten verrechnet der Raiffeisenlandesbank circa  9.600 Euro an Personalkosten sowie 3.300 Euro an Fixkostenbeitrag für die Miete des Großen Saals. Dazu kommen noch weitere Kosten für den Veranstalter. 

Eingeladen sind Kunden und Kundinnen der Raiffeisen. In der Einladung steht hervorgehoben, wer der Star des Abends ist: Wolfgang Sobotka. In der Vergangenheit – als noch die Hypo Niederösterreich Veranstalter war –  erschienen jeweils über 1.000 Gäste; unter ihnen etwa 2020 auch Politprominenz wie die Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner oder der damalige Gemeindebundpräsident Alfred Riedl. Im Sinne der Compliance gibt die RLB NÖ-Wien den Wert einer geschenkten Eintrittskarte mit 70 Euro an.   

Emaileinladung zum Neujahrskonzert der Raiffeisen Landesbank NÖ-Wien.
Der Name des Nationalratspräsidenten ist in der Einladung der Raiffeisen hervorgehoben.

Warum spielt ausgerechnet das Orchester des Nationalratspräsidenten auf dem Neujahrskonzert der Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien? Auf meine Presseanfragen hin geben sich die Beteiligten wortkarg – Nationalratspräsident Sobotka und das Kammerorchester Waidhofen an der Ybbs antworten überhaupt nicht. Die Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien betont in einem Statement ihre gesellschaftliche Verantwortung: „Konkret sind wir langfristige Partner für Initiativen und Organisationen aus der Region, unterstützt werden Projekte aus den Bereichen Kunst und Kultur, Soziales, Jugend und Sport. Im Zusammenhang mit diesem Engagement liegt keine Parteispende im Sinne des Parteien-Gesetzes vor.“ Also: Gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen.

Warum das Konzert problematisch ist

Bei der Veranstaltung mischt sich Banking, Politik und Lobbying. Es ist intransparent und unklar, auf welcher Basis das Konzert erfolgt. Bekommt das Orchester ein Honorar? Sponsert die Bank einen Auftritt des Orchesters? Die Raiffeisen Holding  NÖ-Wien ist laut Webseite Sponsor des Kammerorchesters Waidhofen. Die Holding ist der Mutterkonzern der Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien. 

Offiziell hat Wolfgang Sobotka keine Funktion im Trägerverein des Kammerorchesters. Seine Funktion als musikalischer Leiter hat er auch nicht als ehrenamtliche leitende Tätigkeit auf der Parlaments-Website angeführt.

Ich habe einen Anti-Korruptionsexperten gefragt, ob es sich bei dem Konzert um Lobbying bzw. politische Landschaftspflege handelt. „Das kann ich nur schwer beurteilen. Man kann sich fragen: Würde das gleiche Orchester eingeladen, wenn der Dirigent nicht Wolfgang Sobotka wäre? Ich weiß es nicht“, sagt Mathias Huter vom Forum Informationsfreiheit.

Kein Sponsoring

Vor einem Jahr trat eine Verschärfung des Parteiengesetzes in Kraft. Dadurch sind Zuwendungen an Abgeordnete, Parteien oder an eine nahestehende Organisation strenger reguliert. Noch ist aber unklar, wie das Gesetz in der Praxis gelebt wird. 

Um ein meldepflichtiges Sponsoring oder eine Parteispende handelt es sich in diesem Fall laut dem Experten Matthias Huter aber nicht, da es sich um keine Veranstaltung der ÖVP handelt – das Orchester sei ja auch keine nahestehende Organisation. 

Das Parteiengesetz definiert Sponsoring als jede „Zahlung oder Sachleistung (...) einer juristischen Person an (...) Abgeordnete zur Unterstützung (...) als im gewöhnlichen Geschäftsverkehr marktübliche Gegenleistung für eine werbliche Leistung des Empfängers.“ Der Knackpunkt: Gesponsert wird ja das Kammerorchester und nicht der Solist Sobotka. „Letztendlich liegt die Deutungshoheit zu Regelungen des Parteiengesetztes, also auch der Offenlegung von Spenden und Sponsoring, aber beim Rechnungshof und in weiterer Folge beim Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat“, sagt Huter. Den Rechenschaftsbericht für 2024 muss die ÖVP und alle anderen Parteien erst bis zum 30. September 2025 an den Rechnungshof schicken.

Nur weil es erlaubt ist, ist es nicht okay

„Abgeordnete zum Nationalrat und Mitglieder des Bundesrates haben als gewählte RepräsentantInnen des Volkes Vorbildfunktion. (...). Sie dürfen die ihnen anvertraute Macht im Rahmen der Staatsfunktion Gesetzgebung nicht zum persönlichen Vorteil ausnutzen.“ Das sind die einleitenden Worte der Orientierungshilfe für MandatInnen zum Umgang mit Vorteilen, herausgegeben von der Parlamentsdirektion. Also jenem Haus, in dem Wolfgang Sobotka Präsident ist.

Ohne finanzielle Unterstützung der Bank würde das Kammerorchester Waidhofen an der Ybbs vermutlich nicht im Festspielhaus auftreten. Amtsträger und Amtsträgerinnen wie Sobotka sollten keine Vorteile für sich oder Dritte annehmen – in diesem Fall das Kammerorchester. „Um Reputationsschäden hintanzuhalten, ist auch der äußere Anschein von unsachlicher Beeinflussbarkeit oder Käuflichkeit bei der Amtsführung zu vermeiden“, steht in der Orientierungshilfe des Parlaments. „Im Zweifel sollten Vorteile daher abgelehnt werden.“ 

In der Privatwirtschaft haben Unternehmen mittlerweile strenge Compliance-Regeln, die die Annahme von größeren Geschenken (man könnte auch finanziellen Vorteilen dazu sagen) untersagt.

Strafrechtlich relevant ist die reine Annahme eines Vorteils nicht. §305 Strafgesetzbuch regelt die verbotene Vorteilsannahme: Nur wenn der Amtsträger auch ein Amtsgeschäft dazu vornimmt oder unterlässt, ist die Annahme des Vorteils strafbar. Die politische Landschaftspflege ist also legal.

Parallelen zum Verein S2Arch und Christoph Chorherr

Die Causa erinnert an den Fall rund um den Verein S2Arch, den der ehemalige Gemeinderat und Planungssprecher der Wiener Grünen, Christoph Chorherr, gegründet hat. Der Verein hatte hohe Spenden von Größen aus der Baubranche angenommen, die umstrittene Bauprojekte – wie etwa das Heumarkt-Hochhaus – in Wien verwirklichen wollten. 

Im Jänner wurden alle Angeklagten – darunter auch Christoph Chorherr – freigesprochen. Unbestritten ist, dass an den Verein S2Arch Geld geflossen ist, aber die Mittel wurden tatsächlich statutengemäß für den Schulbau in Südafrika eingesetzt. Außerdem sei die Spende nicht an die politische Entscheidung geknüpft worden. Da die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft Nichtigkeitsbeschwerde eingelegt hat, geht das Verfahren nun beim Obersten Gerichtshof in die letzte Instanz. Damit wird entschieden, wo die Grenze zwischen erlaubter politischer Landschaftspflege und verbotener Vorteilsannahme verläuft. Es gilt die Unschuldsvermutung.

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