Weniger ist mehr
Die Unternehmerin Susanne Henkel sagt über ihren Betrieb: „Wir wollen gar nicht wachsen.“ Bild: Bernd Roselieb / Visum / picturedesk.com
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Steve Przybilla
Reporter

Weniger ist mehr

Höher, weiter, schneller: Unser Wirtschaftssystem basiert auf einem stetigen Wachstum – zu Lasten von Umwelt und Mensch. Drei Unternehmen aus Deutschland und Österreich zeigen, dass es auch anders geht.

‌‌Im Treppenhaus der Richard Henkel GmbH im schwäbischen Forchtenberg stehen zwei Badliegen. Die linke hat schon ein paar Rostflecken am Metall. Die Schnüre, mit denen das Gestell bespannt ist, sitzen etwas locker. Die rechte Liege sieht aus wie neu. Glänzend weiß lackiert, breites Kopfpolster, bequeme Armlehne. Beide Liegestühle hat die Richard Henkel GmbH produziert. Beide stammen aus dem Jahr 1951.

„Aus alt mach neu“, steht auf einem Plakat, das hinter den Ausstellungsobjekten hängt. Es fasst die Philosophie des schwäbischen Familienbetriebs zusammen: Reparieren ist besser als neu produzieren. Die Liegen, die Henkel herstellt, kommen weltweit zum Einsatz: auf Kreuzfahrtschiffen, in Kurbädern oder auch in privaten Gärten. Wenn sie ihren Zenit überschritten haben, werden sie nicht einfach weggeworfen. Die Firma nimmt gebrauchte Liegen zurück, lackiert sie frisch, bespannt sie neu, tauscht die Armlehnen aus. Am Ende erhalten die Kund*innen ein Produkt, das aussieht wie neu, aber deutlich weniger kostet.

Nicht wachsen? Als Unternehmen?

Die Richard Henkel GmbH lässt sich der sogenannten Postwachstumsökonomie (PWÖ) zurechnen. Damit sind Firmen gemeint, die nicht (oder nicht länger) auf rein quantitatives Wachstum setzen. Während die meisten Unternehmen wachsen wollen, um ihre Marktanteile zu vergrößern und sich gegen feindliche Übernahmen zu behaupten, bauen Postwachstumsfirmen vor allem ihre Stärken aus – oder sind mit dem zufrieden, was sie haben.

Nicht wachsen? Als Unternehmen? Vielen Geschäftsleuten dürfte sich bei dieser Vorstellung der Magen umdrehen. Doch der Hintergrund ist so simpel wie einleuchtend: Mit jedem Wachstum, ob im Kleinen oder im Großen, geht eine erhöhte Umweltbelastung einher. Mehr Strom, mehr Rohstoffe, mehr CO2.

Schon 1972 warnte der Club of Rome – eine informelle Vereinigung von Politiker*innen, Wissenschaftler*innen und Wirtschaftsvertreter*innen – vor den Folgen eines ungebremsten Wirtschaftswachstums: Irgendwann werde das Erdöl aufgebraucht sein, das Erdgas, das Eisenerz. Es werde nicht genug Nahrung für eine Weltbevölkerung geben, die immer stärker wächst und immer mehr Ressourcen verbraucht. Der Bericht, den der Club of Rome damals vorstellte, ist noch heute weltbekannt, er heißt „Die Grenzen des Wachstums“. Seine Forderung: Statt auf die reinen Zahlen zu schauen, sollte man die Lebensqualität als Gradmesser für Wohlstand berücksichtigen.

Wirklich angekommen scheint der Appell bis heute nicht zu sein, jedenfalls auf politischer Ebene. Umso mehr rücken Unternehmer*innen in den Vordergrund, die selbst den Teufelskreis des „Immer mehr, immer weiter, immer höher“ durchbrechen wollen. Für sie sind Wohlstand und Maßhalten keine Gegensätze. Sie produzieren langlebige Produkte oder reparieren ausgediente. Sie kaufen regional ein. Sie sparen Strom und Wasser. Sie arbeiten weniger, aber besser. Und sie können gut davon leben.

Aber was unterscheidet ein nachhaltig arbeitendes Unternehmen von einem, das sich der Postwachstumsökonomie zurechnen lässt? Niko Paech, Volkswirtschaftsprofessor an der Uni Siegen und einer der bekanntesten deutschsprachigen Experten für PWÖ, räumt ein: „Es gibt kein Messgerät, um zu sagen, wer postwachstumstauglich ist.“ Der Haupt-Indikator sei die Frage, ob ein Unternehmen sich ernsthaft bemühe, mit weniger Nachfrage auszukommen. Eine Spedition, die ihre Flotte von Diesel- auf Elektrofahrzeuge umstellt, gehört demnach nicht automatisch zur PWÖ. Wenn sie es aber schafft, ihre Transporte generell zu reduzieren, dann schon – vereinfacht gesagt.

Wie also funktionieren Betriebe, die sich dieser Bewegung zurechnen lassen? Die Richard Henkel GmbH, ein Vorarlberger Hotel und ein IT-Dienstleister in Bremen haben sich vom rein quantitativen Wachstum verabschiedet und sind trotzdem erfolgreich. Oder gerade deswegen.

1. Reparieren statt neu produzieren

Die Richard Henkel GmbH hat es geschafft, erfolgreich zu sein, ohne personell zu wachsen. Seit 50 Jahren arbeiten konstant 35 Personen bei dem Badliegen-Hersteller. Auch die Zahl der neu produzierten Liegestühle bewegt sich immer im gleichen Rahmen: 3500 bis 5000 pro Jahr. Plus viele Reparaturen – sie machen inzwischen fast die Hälfte der Aufträge aus, Tendenz steigend.

„Wir wollen gar nicht wachsen“, sagt Susanne Henkel, die den Familienbetrieb zusammen mit ihrem Bruder Kai in der dritten Generation führt. Schon während ihres BWL-Studiums kam die Chefin mit Wachstumskritik in Berührung; Porträts ihrer Professor*innen hängen noch heute an der Wand im Büro. „Wir haben nur eine Erdkugel“, sagt Henkel. Deshalb achte sie nicht nur darauf, Rohstoffe und Energie einzusparen, sondern verlange auch ihren Zulieferern einiges ab: „Wer die Herkunft von Produkten nicht angeben möchte, fliegt raus“, sagt Henkel, da sei sie gnadenlos. Die meisten Teile beziehe sie ohnehin aus Deutschland, auch die Schnüre, mit denen die Badliegen bespannt werden.

Vor allem aber setzt die Firma auf Reparaturen. „Letztens brachte uns ein Kunde mehrere Liegen von 1950“, erzählt Henkel. Wie so oft hatte er die Erwartung, mit Neuware nach Hause zu gehen. Stattdessen fragte ihn Henkel, in welcher Farbe er die aufgearbeiteten Originale mitnehmen möchte. „Da trifft die Leute erst mal der Schlag“, sagt die Geschäftsfrau. Reparieren statt wegwerfen? Für viele ist diese Vorstellung einfach undenkbar. Aber dann erläutert Henkel den Kund*innen, dass es optisch und qualitativ keinen Unterschied macht, ob die Badliegen neu oder repariert sind.

Und was hat die Firma davon – außer einem guten Gewissen? „Zunächst einmal haben wir zwölf Meter Stahl gespart“, sagt Henkel. Dadurch könne sowohl ihre Firma als auch der Endkunde oder die Endkundin Geld sparen. Aufgearbeitete Liegen kosten bis zu 20 Prozent weniger als Neuware.

„Vor drei, vier Jahren dachten alle, Umweltschutz koste doch nur Geld. Aber das Gegenteil ist der Fall. An allen Maßnahmen, die wir durchgeführt haben, haben wir am Ende verdient.“ Kai Henkel

Das Postwachstumsprinzip gehört bei Henkel seit der Firmengründung vor 99 Jahren zur Unternehmensphilosophie, wenngleich den Begriff damals noch niemand kannte. „Schon 1937 hat mein Großvater alte Kaffeesäcke gereinigt und aufgearbeitet, um daraus hochwertige Jutesäcke zu machen“, sagt Susanne Henkel. Heute setzen sie und ihr Bruder Kai dieses Erbe fort. 1991 gründeten sie das „Modell Hohenlohe“: Zwölf Firmen schlossen sich zusammen, um Schadstoffe zu vermeiden und so eine Sondermülldeponie zu verhindern. Heute umfasst das Netzwerk über 100 Mitglieder.

Eine radikale Umstellung gab es bei Henkel nie. Eher kleine Schritte, um die Firma noch ressourcenschonender, noch effizienter zu machen. Eine neue, umweltfreundliche Pulverlackieranlage. Eine Presse, die weniger Strom verbraucht. Als in der Finanzkrise 2008 ein Großkunde wegfiel, suchte sich die Firma neue Auftraggeber in unterschiedlichen Branchen. Das frühere Drei-Schicht-Modell wurde auf eine Schicht umgestellt, damit die Angestellten fortan einen besseren Tagesrhythmus haben. „Es ist wie eine Sucht“, sagt Susanne Henkel und lacht. „Wir wollen immer besser werden.“

Obwohl der Umsatz konstant bei 2,5 bis 3 Millionen Euro im Jahr liegt, fährt Henkel einen „ordentlichen Gewinn“ ein – in guten Jahren knapp eine halbe Million Euro. Dass das ohne Wachstum möglich ist, hängt mit konsequentem Energiesparen zusammen. In den letzten Jahren hat die Firma ihre Gebäude isoliert, die Fenster getauscht und die Heizung auf Pellets umgestellt. Der alte Ölkessel dient heute als Sammelbecken für Regenwasser, das im Garten genutzt wird. In den letzten 20 Jahren hat sich die benötigte Strommenge halbiert.

Früher wurden die Henkels für ihre Anstrengungen belächelt, sagen sie. „Vor drei, vier Jahren dachten alle, Umweltschutz koste doch nur Geld“, erinnert sich Kai Henkel. „Aber das Gegenteil ist der Fall. An allen Maßnahmen, die wir durchgeführt haben, haben wir am Ende verdient.“

2. Angebot verringern, mehr Umsatz erzielen

Das Hotel Post Bezau, ein familiengeführter Betrieb im Bregenzerwald in Vorarlberg, hat das scheinbar Unmögliche geschafft: Die Einnahmen steigen, obwohl das Hotel ganz bewusst sein Angebot verringert hat und sogar auf einen Teil seiner Gäste verzichtet.

„Es kann doch nicht sein, dass sogar Kosmetik immer nachhaltiger wird, in der Hotellerie aber immer noch jeden Tag Unmengen an Wasser verbraucht werden“, sagt Stephanie Rist, die Hoteldirektorin. Besonders die Teilnehmer*innen von Seminaren – eine gut zahlende Zielgruppe – waren ihr deshalb ein Dorn im Auge. „Viele kamen nur für einen Tag“, sagt Rist, „trotzdem musste jedes Mal die komplette Wäsche gewaschen und das Zimmer gereinigt werden. Ressourcentechnisch darf man gar nicht daran denken, und auch für das Personal war der Aufwand enorm.“

Rist sagt, dass sie und ihr Team es lange allen recht machen wollten. Sie richteten sich an Tagungsgäste, Medizintourist*innen und Familien gleichermaßen. „Wir haben alles gemacht“, sagt Rist. „Unser Ziel war es, die Zimmer zu füllen.“ Die Belastungen der Umwelt und des Personals seien immer größer geworden – und damit auch ihre Zweifel, ob ihr bisheriger Ansatz der richtige war.

Im Juli 2019 vollzog sie daher einen radikalen Schnitt: Sie verringerte das Angebot. Zwar blieben alle 58 Zimmer erhalten. Doch Tagungen gibt es im Hotel Post seither keine mehr. Heute richtet sich das Hotel vor allem an gesundheitsbewusste Gäste, die mehrere Tage bleiben und im Spa entspannen. Je nach Saison unterschiedliche Preise schaffte das Hotel ab. „Wir bezahlen doch auch das ganze Jahr über die gleichen Preise für Strom, Wasser und unsere Mitarbeiter*innen“, sagt Rist. „Und unsere Leistung ist immer gleich gut.“

„Früher hatten wir im Schnitt 100 Gäste im Haus, heute nur noch die Hälfte.“ Stephanie Rist

Auch in der Gastronomie stellte sie einiges um. Das Frühstücksbuffet wurde stark verkleinert, stattdessen bestellen die Gäste nun à la carte. Auf den Tisch kommen vor allem saisonale und regionale Produkte, vieles stammt aus dem hoteleigenen, 4000 Quadratmeter großen Garten. Plastikflaschen sind ebenso tabu wie überquellende Buffets. „Wer braucht jeden Tag riesige Wurstplatten, die immer voll sein müssen?“, fragt Rist. „Wer braucht 50 verschiedene Sorten Wein? Oder frische Rosen zu jeder Jahreszeit?“ In großen Teilen der Tourismusbranche gelten solche Angebote noch immer als Zeichen von Qualität. „Nicht bei uns“, sagt Rist. Ihr neuer „Unique Selling Point“: Weniger ist mehr.

Seit der Umstellung werfe die Küche 30 Prozent weniger Essen weg – ein Erfolg aus ökologischer, aber auch wirtschaftlicher Sicht. Doch die Direktorin räumt ein: „Am Anfang war’s unheimlich schwierig.“ Viele Gäste seien es gewohnt, jeden Morgen Lachs und Orangensaft zu bekommen. Manche trugen den Wandel nicht mit. „Im ersten und zweiten Jahr haben wir kein Geld verdient“, sagt Rist. „Man muss ehrlich sagen, dass man bei einem solchen Wandel immer auch Kund*innen verliert.“

Dann steuerte das Hotel gegen, arbeitete an seiner Kommunikation, veröffentlichte Beiträge über die neue Strategie in den sozialen Netzwerken. Gäste erhalten vor ihrer Anreise nun einen Brief, in dem die Gründe für den bewussten Verzicht erläutert werden. Auch beim Frühstück liegen Informationen aus. Seither hat sich die Lage stabilisiert. „Früher hatten wir im Schnitt 100 Gäste im Haus, heute nur noch die Hälfte“, sagt Rist. Trotzdem verdiene sie mehr. Die neue Zielgruppe bleibe länger, esse bewusster und gebe deutlich mehr Geld aus.

3. Kosten sparen durch Innovation

Als Harald Rossol 1994 seine IT-Firma b.r.m. in Bremen gründete, hatte er Pläne wie jeder andere Unternehmer und jede andere Unternehmerin auch: Kund*innen gewinnen, Umsatz steigern, neue Mitarbeiter*innen einstellen, die wiederum neue Kund*innen gewinnen. „Natürlich kämpfe auch ich mit der Gier“, räumt Rossol ein. „Ich hätte meinen Laden in den letzten Jahren vervierfachen können.“

Doch wenige Jahre nach seiner Firmengründung platzte die Dotcom-Blase. Rossol war nicht betroffen, aber er bekam mit, wie schnell ein ungezügelter Boom vorbei sein kann. „Das war für mich ein Schlüsselmoment. Ich wollte nicht noch ein Rechenzentrum, noch ein Büro, um am Ende die Leute wieder zu entlassen.“

Als IT-Dienstleister betreut er Server für kleine und mittelständische Unternehmen, kümmert sich um deren Netzwerke, hilft bei Fragen zur Datenschutz-Grundverordnung. Seit zehn Jahren hat er die gleiche Anzahl an Mitarbeiter*innen und Kund*innen. Der Umsatz bleibt „im kleinen siebenstelligen Bereich“ in etwa konstant, sagt er. Mehr Gewinn mache er trotzdem, indem er Innovationen vorantreibe und seinen Energieverbrauch immer weiter senke.

„Normalerweise laufen Server bei 21 Grad“, sagt Rossol. Dafür müssen sie ständig gekühlt werden, ein enormer Energieaufwand, klimaschädlich obendrein. Sein Rechenzentrum aber funktioniert auch bei 35 Grad noch, weshalb er im Jahre 2012 das Gütesiegel „Blauer Engel“ dafür erhalten hat – als erstes Rechenzentrum weltweit, wie er stolz betont. „Ich habe dafür gekämpft, dass es dieses Gütesiegel überhaupt gibt. Für alles gibt es Zertifikate, nur für Rechenzentren nicht. Das wollte ich ändern.“

„Das hat nichts mit Leistungsverweigerung zu tun, im Gegenteil. Wir machen nur so viel, wie wir können.“ Harald Rossol

Angenehmer Nebeneffekt: geringere Kosten. „Jedes Grad weniger bedeutet drei bis fünf Prozent weniger Energie“, sagt Rossol. Schon 2006 habe er seinen Stromverbrauch durch eine bessere Anordnung der Server um 40 Prozent senken können, 2012 durch die Anschaffung sparsamerer Computer noch einmal um 62 Prozent. Die Abwärme der Geräte nutze er zum Heizen des Büros.

Obwohl es viele Wettbewerber im IT-Bereich gibt, obwohl er nur fünf Angestellte hat, laufe das Geschäft. „Wir sind klein, aber dadurch unheimlich schnell“, sagt Rossol. Bei b.r.m. müssen die Kund*innen kein Online-Formular ausfüllen, wenn sie Hilfe brauchen, sondern rufen an. Auch kann sich das kleine Team schnell auf neue Aufgaben einstellen – während der Covid-19-Pandemie etwa auf den Aufbau von Videokonferenz-Systemen.

Wenn potenzielle Kund*innen kurzfristig wegen eines neuen Auftrags anrufen, lehnt er ab. „Wir planen langfristig“, sagt Rossol. Er weiß, dass das für manche komisch klingt. „Aber das hat nichts mit Leistungsverweigerung zu tun, im Gegenteil. Wir machen nur so viel, wie wir können. Qualität ist mein Wachstum.“

Bei seinen Kund*innen hat b.r.m. eine Art Frühwarnsystem installiert. Wenn ein Rechner heißläuft, eine Festplatte voll ist oder bestimmte Daten nicht mehr fließen, ploppen verschiedenfarbige Symbole bei Rossol auf. „Normalerweise verwenden IT-Firmen 80 bis 90 Prozent ihrer Zeit darauf, einen Fehler zu finden“, sagt Rossol. Er nutze die Zeit lieber für Prävention oder Verbesserungen. So sinken auch die Kosten für eine langwierige Fehlersuche. Und die Angestellten können früher Feierabend machen.

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Wie wird ein Unternehmen ohne Wachstum erfolgreich? Sieben Tipps für Chef*innen.

1. Fossile Mobilität begrenzen: Unternehmen können ihre Lieferketten so anpassen, dass beim Transport der Güter möglichst wenig CO2 ausgestoßen wird. Innerstädtische Lieferungen lassen sich mitunter auf Lastenrädern erledigen, ein Diesel-Fuhrpark kann auf Elektroautos umgestellt werden. Der Fair-Trade-Kaffeeanbieter Teikei Coffee aus Hamburg lässt sich seine Kaffeebohnen einmal pro Jahr per Segelschiff aus Mexiko liefern.

2. Angestellte mitnehmen: Ein radikaler Umstieg kann Angestellte zunächst verunsichern. Der Volkswirt und PWÖ-Experte Niko Paech von der Uni Siegen rät, der Belegschaft die Gründe für den Wandel offen zu erklären. „Wenn Unternehmen danach streben, Teil der Lösung zu sein, hält das nicht nur den Laden zusammen, weil es Sinnstiftung und Identifikation ermöglicht, sondern macht einen Unterschied in der Außenwahrnehmung“, sagt Paech. Sein Tipp: Alle Abteilungen zusammenrufen und gemeinsam ein Leitbild erstellen.

3. Aktionsradius einschränken: Um dem Wachstumsstreben Einhalt zu gebieten, kann ein bestimmter geografischer Aktionsradius sinnvoll sein. Das sorgt dafür, dass die Wertschöpfung in der Region bleibt, und ist nicht nur im Handwerk möglich, sondern auch im Dienstleistungssektor. So betreibt etwa die 1851 gegründete BBO Bank Brienz Oberhasli in der Schweiz nur zwei Standorte im Berner Oberland – und das ganz bewusst.

4. Gleicher Lohn für alle: In einem Fachaufsatz nennen Niko Paech und die Unternehmensberaterin Christel Maurer die Firma Länggass-Tee in Bern als Beispiel. Dort verdienen alle das Gleiche, auch die Inhaber*innen. „Dies führt dazu, dass sich die MitarbeiterInnen weitaus stärker mit der Firma identifizieren als in konventionellen Betrieben mit hohen Gehaltsunterschieden“, schreiben die Autor*innen. „Die entsprechende Reputation bewirkt zudem eine überdurchschnittliche Kundenbindung.“

5. Langlebige Materialien nutzen: Statt „ex und hopp“ können Unternehmen hochwertige Materialien verwenden, die weniger schnell verschleißen. „Doppelte Nutzungsdauer heißt halbierter Bedarf“, erklärt der PWÖ-Experte Paech. Zumal eine geringere Produktionstätigkeit nicht nur CO2 einspart, sondern auch Strom-, Wasser-, Transport- und Personalkosten.

6. Reparieren statt neu produzieren: Enorme Rohstoffmengen lassen sich sparen, wenn Produkte nicht nur produziert, sondern auch repariert werden – entweder vom Hersteller, so wie beim Badliegen-Produzenten Henkel. Oder von den Konsument*innen selbst. So verschickt etwa der niederländische Handy-Hersteller Fairphone Ersatzteile für seine Geräte, die die Nutzer*innen dann selbstständig einbauen.

7. Konsument*innen „erziehen“: Manche Energieversorger halten ihre Kund*innen explizit dazu an, Strom zu sparen. Textilunternehmen legen ihren Produkten Pflegeanleitungen bei, damit sie möglichst lange halten. Das funktioniert auch im großen Stil: Der Outdoor-Hersteller Patagonia rät seinen Kund*innen, die eigenen Produkte möglichst lange zu tragen und anschließend an den Hersteller zurückzuschicken, damit sie dort recycelt werden.

Autor*in: Steve Przybilla

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Johannes Greß
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