Was du jetzt tun kannst, wenn dir Blau-Schwarz Angst macht
Nur 24 Prozent der Österreicher*innen wünschen sich eine blau-schwarze Koalition, die Mehrheit der Bevölkerung ist besorgt. Was man jetzt tun kann.
Nach der Nationalratswahl wollten wir von unserer Community wissen, welche Sorgen und Ängste sie nach dem FPÖ-Wahlsieg haben. Nun steht eine blau-schwarze Bundesregierung vor der Tür. Dass Herbert Kickl Bundeskanzler wird, scheint eine ausgemachte Sache.
Doch Angst ist selten ein guter Ratgeber. Es hilft nichts, in Schockstarre zu verfallen. Gemeinsam mit unserer Community haben wir 22 Dinge gesammelt, die du jetzt tun kannst. Damit die Sorgen und Ängste kleiner werden, aber vor allem auch, damit unser Land sich nicht weiter den rechtsextremen Kräften ausliefert.
- Demonstriere, wenn du deiner Ablehnung Ausdruck verleihen willst oder einfach nur Gleichgesinnte treffen willst. Schon am Montag und Dienstag gab es am Wiener Ballhausplatz Demonstrationen gegen eine FPÖ-Regierungsbeteiligung. Die NGOs Volkshilfe, Greenpeace und SOS Mitmensch rufen am Donnerstag, 9. Jänner, bei einer Kundgebung vor dem Bundeskanzleramt den „Alarm für die Republik“ aus. Denn mit einem rechtsextremen Bundeskanzler drohe „ein Angriff auf Demokratie, Menschenrechte, Justiz, unabhängige Medien, Klima- und Naturschutz und den sozialen Zusammenhalt in unserem Land.“
- Mach deinen Sorgen Luft, sprich darüber: Es lohnt sich immer, Sorgen und Ängste mit anderen zu teilen, da es dir selbst helfen kann, sie auszusprechen. Auch bei politisch Andersdenkenden in der Familie oder im Bekanntenkreis kann das eventuell Sinn machen. Wenn Argumente nicht überzeugen können, tun es vielleicht Gefühle und Empathie.
- Schreib Leser*innen-Briefe. Ein Insider-Tipp als Journalist: Medien bekommen weniger Zuschriften als man denkt. Kontaktdaten stehen im Impressum. Eine Email oder eine Postkarte, in der du deine Sorgen ausdrückst, kann viel bewirken – aber achte darauf, dass du freundlich im Ton bleibst. Auch Politiker*innen und Institutionen kannst du direkt schreiben oder sie bei Gelegenheit persönlich ansprechen.
- Solidarisiere dich mit jenen, die von der diskriminierenden, menschenverachtenden Politik betroffen sind – entweder mit öffentlichen Statements oder indem du deine Solidarität den Betroffenen direkt mitteilst. Am besten fragst du nach, wie es ihnen gerade geht und wie du konkret unterstützen kannst. Höre auch einfach zu.
- Tritt einer Partei bei: Österreich ist eine Parteiendemokratie, das heißt, die wichtigsten Entscheidungen sowie die politische Willensbildung finden eben dort statt. Wenn du willst, dass sich politisch etwas ändert, funktioniert das am besten als Parteimitglied. Keine Sorge, es wird niemals eine Partei geben, die hundert Prozent mit dir übereinstimmt. Such dir am besten die Partei aus, die sich mit deinen Einstellungen und Interessen am weitesten deckt. Eine gute Orientierung liefert dir dafür etwa der Fragebogen von Wahlkabine zur Nationalratswahl im September 2024.
- Tritt zu einer Wahl an: Studienrichtungsvertretung, Gemeinderatswahl, Betriebsrat, Kammerwahl, Klassensprecherwahl, Mieterbeirat, Elternvertreter*in – man kann sich fast auf jeder Ebene und in jedem Lebensbereich politisch engagieren. Nicht immer geht es dabei um große politisch-ideologische Fragen, sondern eher um die Interessensvertretung der Basis. Auch wenn es manchmal banal erscheint, ist dieses Engagement extrem wichtig. Außerdem kannst du so deiner Stimme mehr Gewicht verleihen.
- Werde Mitglied in deiner Gewerkschaft (oder einer anderen Interessensvertretung): Seit über 150 Jahren vertreten Gewerkschaften als freiwillige Vertretung die Interessen der Arbeitnehmer*innen. Der Clou ihrer Macht liegt in der Größe: Als einzelne*r Arbeitnehmer*in ist man oft sehr machtlos, wenn die Menschen aber zusammenhalten, können sie viel mehr erreichen. Seit Jahren sinkt in Österreich sowie in fast allen westlichen Ländern die Mitgliederzahl der Gewerkschaften. Dass die Arbeitnehmer*innenvertretung so schwach geworden ist, führt auch indirekt zu einer Stärkung der rechten, arbeitnehmerfeindlichen Kräfte.
- Engagier dich in einer NGO: Du kannst dich auch ehrenamtlich in einer Organisation für einen guten Zweck engagieren. Über Portale wie freiwillig-engagiert.at kannst du eine für dich passende Organisation in deiner Nähe finden.
- Starte mit anderen eine eigene Initiative: Natürlich kannst du auch selbst eine Gruppe gründen und aktiv werden. Hier gibt es Tipps dazu: https://wir-gegen-rechts.at/was-tun/
- Pickerl kleben und rechte Graffitis übermalen: Was du alleine sofort tun kannst, ist Pickerl oder Plakate zu kleben (hier kannst du etwa kostenlos Material bestellen) und rassistische Pickerl und Sprüche zu entfernen. Aber Achtung: Ein Graffiti zu übermalen kann unter Umständen auch als Sachbeschädigung und damit als Straftat bewertet werden. Wenn du Zeug*in eines rassistischen Vorfall wurdest, kannst du ihn hier der Organisation ZARA melden.
- Spende Geld: Eine gute Möglichkeit ist es auch, Parteien oder Organisationen mit Geld zu unterstützen. Oft kann eine kleine regelmäßige und damit planbare Spende viel mehr bewirken als ein kurzfristiges Engagement. Gerade linke, progressive und feministische Initiativen und Gruppen werden von Sparmaßnahmen besonders hart getroffen werden.
- Sei wachsam: Sich in sein eigenes Schneckenhaus zurückzuziehen, ist nur für jene von uns möglich, die in einer privilegierten Situation sind. Wir brauchen ein solidarisches und wachsames Miteinander. Wenn Ungerechtigkeiten geschehen, dürfen wir uns nicht abwenden, sondern müssen unser Wort erheben.
- Bildet Banden: tag-eins-Leserin @lenahaider_schreibt empfiehlt, „ehrliche und respektvolle Gespräche in unserem Umfeld zu führen, uns miteinander vernetzen & verbinden. Uns offline treffen. Füreinander da sein. Aufschreiben was passiert & was uns Angst macht. Nichts einfach so hinnehmen. ❤️“ Gerade vulnerable Communitys und Menschen, die hart von der Politik getroffen werden, brauchen jetzt Support. Am besten fragst du direkt nach, wie du die Person unterstützen kannst.
- Kein Doomscrolling zu machen, empfiehlt die Digitalexpertin Ingrid Brodnig. „Wir befinden uns in einer aufwühlenden, höchst unklaren Situation. Wir wissen nicht, wie es weiter geht. Die Gefahr ist, dass man am Handy hängt und permanent nach News Ausschau hält. Aber: Wenn etwas wirklich wichtig ist, wird man es auf jeden Fall mitbekommen. Es lohnt sich meines Erachtens in solchen Phasen eher, durchzuatmen, auch andere Dinge zu machen, um Energie zu sammeln. Denn ich vermute: Viele von uns werden diese Energie brauchen.“
- Kommentiere in Social Media: Falls du es nicht schaffst, dein Handy zur Seite zu legen, macht es Sinn auch im digitalen Raum deine Stimme zu erheben. Hass, Fake News und Trolle dominieren mittlerweile den digitalen Diskurs. In den Kommentarspalten und Social Feeds dagegen zu halten, ist bitter nötige Schwerstarbeit. Für die richtige Strategie gibt Expertin Ingrid Brodnig Tipps. Bei Hetze, Bedrohungen oder Beleidigung ist aber eine Grenze überschritten, bei der sich keine Diskussion mehr lohnt – dann macht es mehr Sinn den Kommentar zu melden. So geht’s.
- Teile gute Inhalte: Egal, ob es tolle Artikel, eine aufwändige Recherche oder ein Flower-Rain ist, es lohnt sich, Gutes im Internet zu teilen. Es hilft dabei, dass jene Sachen mehr Sichtbarkeit und Reichweite bekommen. Als Journalist fällt mir auf, dass etwa FPÖ-Sympathisant*innen im Internet unglaublich engagiert und aktiv sind. Das erklärt teilweise auch die sehr hohen Reichweiten von Kickl, Trump oder Weidel. Und wenn wir uns ehrlich sind: Am Ende ist die Reichweite oft mitentscheidend, ob etwa eine journalistische Recherche als Erfolg betrachtet wird. Das Beste: Eine positive Bewertung oder ein Share für einen guten Inhalt kosten nichts und gehen ganz schnell.
- Unterschreibe die Petitionen der Plattform aufstehn.at
- Starte oder unterschreibe ein Volksbegehren: Ein Volksbegehren zu starten ist leichter als man denkt. Derzeit hoffen 23 Initiativen auf je 8.401 Unterstützungserklärungen zur Einleitung eines Volksbegehrens. Der Großteil der Initiativen kommt aus der rechten Ecke, aber man kann auch für kostenlose Verhütung, die Streichung von Abtreibung aus dem Strafgesetz oder Tempo 100 auf Autobahnen unterschreiben. Mittels ID.Austria kann man in weniger als einer Minute unterschreiben.
- Nimm zu Gesetzesentwürfen Stellung: Im Rahmen des Begutachtungsverfahren kann jede Person zu Gesetzesentwürfen Stellung nehmen – hier wird erklärt, wie das funktioniert. Während der Pandemie haben auch tausende Corona-Verharmloser*innen davon Gebrauch gemacht. Auch wenn die Stellungnahme das Gesetz vermutlich nicht ändern wird, muss sie jedenfalls im zuständigen Ministerium gelesen werden.
- Kunst und Kultur unterstützen: tag-eins-Leserin @halblingsschwester empfiehlt, „linke Kulturinstitutionen zu fördern, indem man ihr Angebot nutzt“. Es braucht nicht immer kompliziert sein, oft ist es auch schon eine große Unterstützung, den guten Angeboten und Initiativen Aufmerksamkeit zu schenken und sie, wenn möglich, finanziell zu unterstützen.
- Vertraue den Institutionen: Die FPÖ spricht schon lange von der dritten Republik, Herbert Kickl hat am Dienstag wiederholt, dass er Österreich „neu aufbauen“ wolle. Die Gefahr, dass sich unsere Republik zu einem autoritären Staat entwickelt, ist sehr real. Aber Blau-Schwarz verfügt über keine Verfassungsmehrheit, die demokratischen Institutionen in Österreich sind stark. „Meine Hoffnungen setze ich in den Bundespräsidenten und den VfGH, welcher sich zumindest in meiner bisherigen Lebenszeit stets für homo-, bi- und transsexuelle Menschen eingesetzt hat“, schreibt Userin @androgynousmind. Sie ist trans und „befürchtet und erwartet, dass Kickl und seine Kumpanen ihre Macht zur Unterdrückung und Entrechtung von Menschen wie mir verwenden werden“.
- Unterstütze unabhängige und kritische Medien: Es braucht guten Journalismus, der der zukünftigen Regierung auf die Finger schaut. Schon lange ist klar, dass die FPÖ den ORF an die kurze Leine nehmen will und am liebsten mit den eigenen Parteimedien spricht. Groß ist die Gefahr, dass eine blau-schwarze Regierung Korruptionsermittlungen abdrehen will, mit Steuergeld leichtsinnig umgeht, Boulevardmedien mit Inseraten anfüttert, Österreich orbanisiert und generell ihre Macht missbraucht. Zumindest war es unter vergangenen Regierungen der beiden Parteien so. Woher wir das wissen? Das haben kritische und unabhängige Journalist*innen in zig Recherchen aufgedeckt. Am besten unterstützt man kritische Medien durch ein Abonnement – zum Beispiel die an.schläge, Dossier oder auch uns.