

Waffen aus Österreich in den Händen der Hamas
Während der Israeli-Österreicher Tal Shoham aus der Geiselschaft freigelassen wurde, posierte ein Hamas-Mann mit einem Sturmgewehr 77 aus Oberöstereich. Wie kann es dazu kommen?
Egal ob Glückwünsche für eine Hundertjährige, Blumengrüße der Gartenbauschüler*innen oder Empfang des serbischen Botschafters, Nationalratspräsident Walter Rosenkranz empfängt seine Gäste vor einem düsteren, 4,2 Meter breiten Wandbild.
Was seine Gäste nicht wissen: Das Bild hat 1951 der umstrittene österreichische Künstler Rudolf Hermann Eisenmenger geschaffen. Eisenmenger trat 1933 in die NSDAP ein, Adolf Hitler zählte ihn zu seinen Lieblingsmalern, Joseph Goebbels führte ihn auf der Liste der sogenannten „Gottbegnadeten Künstler“, die etwa vom Wehrdienst befreit waren. Noch im Jänner 1945 fertigte Eisenmenger im Auftrag der Berliner Reichskanzlei einen Wandteppich mit der Aufschrift „Du bist Deutschland“ als Geburtstagsgeschenk für Adolf Hitler an.
Eisenmenger machte im Nationalsozialismus Karriere und stieg zum Präsident des Wiener Künstlerhauses auf. „Er war einer der erfolgreichsten österreichischen bildenden Künstler des NS-Regimes und hoher NS-Kulturfunktionär, der mit seinen zwischen 1938 und 1945 entstandenen großformatigen Werken für den öffentlichen Raum die nationalsozialistische Propaganda unterstützte“, sagt die Kunsthistorikerin Veronika Floch.
Nach einem zweijährigen Berufsverbot startete 1947 die nachhaltige Rehabilitierung Eisenmengers. Er schuf etliche prestigeträchtige Werke für den öffentlichen Raum, bekam Ehrungen und wurde als Universitätsprofessor an die Technische Hochschule berufen. Der Doyen der österreichischen Zeitgeschichte, Oliver Rathkolb, bezeichnet Eisenmenger als „ästhetischen Sündenfall der 2. Republik“.
1951 bekam Eisenmenger den Auftrag, das großflächige Wandgemälde „Wappenschild” im zerstörten Parlament zu gestalten. Das 4,2 mal 2,6 Meter große Wandbild zeigt allegorisch die Wappen der Bundesländer und den Bundesadler. Künstlerisch gilt es als wenig wertvoll, in Werkverzeichnissen existiert nicht einmal eine Abbildung.
2025 nutzt der Nationalratspräsident Walter Rosenkranz (FPÖ) das Wandbild als Hintergrund für repräsentative Fotos. Hinter dem Bundespräsidenten gilt das Amt des Nationalratspräsidenten als zweithöchstes Amt der Republik – egal ob Rosenkranz das will, er repräsentiert die Republik. Die Außendarstellung Österreichs erfolgt eben nicht nur über Worte, sondern auch über Symbole. Wer zu Repräsentationszwecken 2025 einen großformatigen Eisenmenger nutzt, ist entweder historisch naiv oder stramm rechts.
Auf Anfrage sagte der Pressesprecher von Rosenkranz zu tag eins: „Es gibt keinen Bruch mit einer Tradition. Mittels Recherche in der Mediathek auf der Website des Parlamentes kann man einsehen, dass das besagte Wandgemälde, das unter Denkmalschutz steht, bei mehreren Vorgängern, die in diesem Raum ihr Büro hatten, nicht verhängt war.“ (Anmerkung der Redaktion: Das stimmt, etwa auf Fotos aus 2011 oder 2017 ist das Wandbild sichtbar.)
„Walter Rosenkranz entscheidet selbst, wie er sein Amt und damit die Republik repräsentiert. Dass er sich anscheinend bewusst vor dem Werk eines ausgewiesenen Nazis und eines Lieblingsmalers Adolf Hitlers inszeniert, anstatt das Bild wie seine Vorgänger zu verhängen, ist entlarvend”, sagt Lukas Hammer, Rechtsextremismus-Sprecher der Grünen. „Es reiht sich ein in eine viel zu lange Liste an braunen Einzelfällen in seinem Umfeld.“
Während die Rolle Eisenmengers und seine Werke in den letzten Jahren gesellschaftlich breit diskutiert wurden, ist sein Wandbild im Parlament, also im Herzstück der österreichischen Demokratie, bisher unter dem Radar geflogen. Das lag auch am Umgang der vorherigen Nationalratspräsidenten mit dem klobigen Wandbild.
Unter Wolfgang Sobotka, dem Amtsvorgänger von Rosenkranz, war das Wandbild von Eisenmenger stets verhangen. „Ich habe das Bild nur einmal gesehen und sofort entschieden, das kann so nicht bleiben. Ich habe das Bild dann überhängen lassen“, sagt der Alt-Nationalratspräsident zu tag eins. Als Nationalratspräsident hat sich Sobotka insbesondere dem Kampf gegen Antisemitismus und der historischen Aufarbeitung der Shoa gewidmet.
„Ich halte das Bild für künstlerisch nicht wertvoll, das sehen auch Kunsthistoriker so“, sagt Sobotka, der inzwischen Präsident der ÖVP-Parteiakademie Campus Tivoli ist. „Eisenmenger war seit 1933 NSDAP-Mitglied und als Kulturfunktionär sicher mehr als nur ein Mitläufer. Zeit seines Lebens hat er sich nie vom Nationalsozialismus distanziert.“
Als Sobotka und sein Team die Büroräumlichkeiten im Zuge der konstituierenden Nationalratssitzung am 24. Oktober 2024 verließen, hing dort noch das großformatige Bild „Dave“ des zeitgenössischen Künstlers Hubert Scheibl. Das moderne, helle Bild von Scheibl hatte der damalige Kunstkurator des Parlaments, Hans-Peter Wipplinger, ausgewählt.
Geplant war, dass die Leihgabe bis zum Auslaufen des Leihvertrags Ende 2024 dort hängen sollte. Spätestens am 27. November war jedoch in den Büroräumlichkeiten des Nationalratspräsidenten das Eisenmenger-Bild zu sehen, wie ein Facebook-Posting zeigt. Auf Anfrage sagt die Parlamentsdirektion, „eine neuerliche Verhängung wird derzeit erörtert“. Letztlich obliegt die Entscheidung allein Walter Rosenkranz, welche Bilder in seinem Büro hängen – einzige Einschränkung ist dabei der Denkmalschutz.
Das Bundesdenkmalamt kategorisiert das Eisenmenger-Bild als sogenanntes „Dissonant Heritage“-Objekt. (Der Fachbegriff „Dissonant Heritage“ wird meist mit unbequemes oder schwieriges Erbe übersetzt, gemeint ist Kulturerbe, mit dem der Umgang schwer fällt). „Ob Kunstwerke in einzelnen Räumlichkeiten gezeigt oder verdeckt werden, obliegt im Regelfall den nutzenden Personen. Im Falle möglicher „Dissonant Heritage“-Objekte ist eine kritische Kontextualisierung (zeitaktuelle Infotafel, zeitgenössische temporäre, reversible Überschreibung, Verhängung etc.) möglich“, schreibt Pressesprecherin Andrea Böhm per Email.
In den letzten Jahrzehnten war das „Wappenschild“ in der Regel überhangen. Bis zur Renovierung in den Jahren 2018-2022 des Parlaments befand sich das Eisenmenger-Bild im Büro des 2. Nationalratspräsidenten. Heinz Fischer nutzte im Jahr 2003 die Räume und überhängte Eisenmenger mit einem roten Schüttbild von Hermann Nitsch. „Eisenmenger war in der Nazi-Zeit Chef des Künstlerhauses“, sagte Fischer damals in einem Interview mit den Salzburger Nachrichten. „Das wollte ich wirklich nicht da herinnen haben.“
Wie heute mit dem belasteten Erbe von Eisenmenger umzugehen ist, zeigen andere Institutionen. So befindet sich auch im Wiener Künstlerhaus-Kino ein großflächiges Eisenmenger-Wandbild. Seine Geschichte wurde in den 2010er-Jahren aufgearbeitet und mit einer Zusatztafel kontextualisiert.
Am Gemeindebau Justgasse in Wien-Floridsdorf hatte Eisenmenger 1951 zwei Sgraffiti mit Aufschrift „Glückliche Menschen in neuen Häusern“ geschaffen, was in Anbetracht Tausender deportierter Menschen aus Wiener Gemeindebauten besonders zynisch wirkt. 2014 wurde eine erklärende Zusatztafel angebracht.
In der Auseinandersetzung sticht aber insbesondere der Umgang der Wiener Staatsoper mit dem tonnenschweren, denkmalgeschützten Eisernen Vorhang hervor, den Eisenmenger mit klassischen Opernmotiven 1955 gestaltet hatte. Schon in den 1950er-Jahren sorgte die Vergabe des prestigeträchtigen Auftrags für Kritik in Medien, insbesondere da sich auch Marc Chagall, Oskar Kokoschka oder Max Weiler für den Auftrag interessiert hatten. Erst im dritten Durchgang entschied sich die Jury auf Betreiben des damaligen Ministeriums für Handel und Wiederaufbau (heute: Wirtschaftsministerium) für Eisenmengers Entwurf.
40 Jahre später setzte in Folge einer Gedenkveranstaltung an der Staatsoper unter dem damaligen Direktor Ioan Holender eine kritische Auseinandersetzung ein. Seit 1998 wird der Eiserne Vorhang alljährlich durch wechselnde Werke zeitgenössischer Künstler*innen mittels Magneten überhangen – derzeit ist ein Bild der Schweizer Künstlerin Pipilotti Rist dort zu sehen. Der Kompromiss mit dem Amt für Denkmalschutz sieht jedoch vor, dass Eisenmengers Originalbild jeweils in der Sommerpause für drei Monate sichtbar bleiben muss. Der Umgang der Staatsoper mit Eisenmenger stößt seither auch auf heftige Kritik. Die Kunsthistorikerin und Eisenmenger-Spezialistin Maria Missbach sammelte 2002 22.000 Unterschriften gegen die Kontextualisierung.
Die FPÖ hat sich in Wortmeldungen und parlamentarischen Anfragen als Fan von Eisenmenger positioniert. Das überrascht auch nicht: Eisenmenger war Mitglied der deutschnationalen, schlagenden Burschenschaft Silesia und im Burschenschafter-Jargon damit „Waffenbruder“ führender FPÖ-Politiker. (Wie stark deutschnationale Verbindungen in der FPÖ-Spitze vertreten sind, habe ich kürzlich hier nachgezeichnet.) Rosenkranz selbst ist Mitglied der Burschenschaft Libertas und hat etwa auch in den vergangenen Jahren die Eröffnungsrede zum Akademiker-Ball (früher: WKR-Ball) gehalten.
Bis heute ist die Geschichte des Eisenmenger-Bildes im Parlament unaufgearbeitet. Selbst während der umfangreichen Renovierung fand keine Auseinandersetzung mit dem belasteten Künstler statt. „Es ist meines Erachtens notwendig, die Geschichte zur Entstehung von Eisenmengers Werk, das er 1951 für das Parlament geschaffen hat, aufzuarbeiten und die Auftragsvergabe sowie die damals daran beteiligten Akteur*innen transparent zu machen“, sagt Kunsthistorikerin Floch. Wer das Wandbild in den 1950er-Jahren beauftragte und damit maßgeblich zur Rehabilitierung eines Nationalsozialisten beitrug, ist unbekannt.
Auch wenn die Vorgänger von Rosenkranz mit guten Absichten gehandelt haben, ist die Überhängung des Bildes der österreichischste Weg mit dem nationalsozialistischen Erbe umzugehen: Ein schönes Bild über den braunen Fleck hängen.
So wie es die Staatsoper vorgemacht hatte, würde es auch der überparteilichen Institution Parlament gut stehen, sich der Geschichte des Bildes zu stellen. „Erstens ist es überhaupt nicht notwendig, sich gerade vor diesem Wandgemälde Eisenmengers fotografieren zu lassen, und zweitens könnte mittels eines künstlerischen Wettbewerbs des Parlaments eine kritische Kontextualisierung dieses Wandgemäldes an einem der zentralen Orte dieser Republik erfolgen“, sagt der Zeithistoriker Rathkolb zu tag eins.
Überraschend dann die Wende am Tag vor der Veröffentlichung dieser Recherche. Karl-Heinz Grundböck, Pressesprecher der Parlamentsdirektion, sagt: „Für die Besucherinnen und Besucher im Büro des Nationalratspräsidenten wird ein Informationsblatt über das Gemälde „Wappenschild“ und Rudolf Eisenmenger aufgelegt.“ Der Text sei gerade „noch in Abstimmung“. Der Pressesprecher von Walter Rosenkranz sagt hingegen, im Widerspruch zur Parlamentsdirektion: „Derzeit ist das Wandgemälde kontextualisiert zu sehen.“
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