Was Krieg für die Klimakrise bedeutet
Ist es geschmacklos, sich angesichts anhaltender Kriege Sorgen um die Bedeutung von Klimapolitik zu machen? Nicht wirklich – es ist sogar dringend notwendig.
Bei aller Kritik an dem kargen, engen Raum im Parlament, den sich der ORF für die diesjährigen Sommergespräche mit den österreichischen Parteichef*innen ausgesucht hat: Ein Raum ohne Fenster symbolisiert ganz gut die Realitätsflucht, die in den Interviews bei einigen Themen auffiel, von der Bildung bis zur Teuerung, besonders aber beim Klimaschutz.
Dabei hätte es in den Gesprächen für die Politiker*innen viele Möglichkeiten gegeben, mit starken Ansagen zu Themen wie Emissionsreduktion oder grünes (also von Investitionen in CO2-arme Technologien angetriebenes) Wirtschaftswachstum direkt an akute Probleme der Österreicher*innen anzuknüpfen. Viele Kärntner Gemeinden sind nach wie vor mit den Folgen der schweren Unwetter beschäftigt. ___STEADY_PAYWALL___ Und nach einem zu heißen Sommer freuten sich einige ORF-Zuseher*innen vermutlich auf den angenehmeren Teil des Sommers, der neuerdings im Herbst stattfindet.
Statistisch sei es nicht so, dass Unwetter immer häufiger werden, behauptete etwa FPÖ-Chef Herbert Kickl im Gespräch und bewegte sich dabei auf rutschigem, pseudowissenschaftlichem Parkett. Im nächsten Satz bezeichnete er den Weltklimarat als „Glaubenskongregation der Klimadebatte“. Beide Aussagen sind so falsch, dass es einem die von der letzten Überschwemmung noch feuchten Gummistiefel auszieht.
Bundeskanzler Karl Nehammer von der ÖVP fiel weniger durch Falschaussagen als durch die Wiederholung offensichtlicher Zusammenhänge auf. Österreich könne den Klimawandel nicht allein bekämpfen, so Nehammer. Ach so? Aus Sicht der internationalen Gemeinde muss das so wirken, als wenn jene Partei, die ohnehin schon lange nicht mehr mitzieht, meint, man könne doch nicht den ganzen Karren allein bewegen.
Auch Andreas Babler von der SPÖ und Werner Kogler von den Grünen glänzten nicht gerade. Dass Vizekanzler Werner Kogler, ein gelernter Volkswirt, das Problem Schadensversicherung nach den Kärntner Unwetterschäden nicht näher diskutieren wollte, war bestenfalls seltsam. Dem SPÖ-Parteivorsitzenden Andreas Babler fiel derweil nichts Besseres ein, als an die wirtschaftlichen Probleme von Pendlerfamilien beim Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor zu erinnern. Eine stärkere Förderung von Elektroautos, Ladeinfrastruktur und Carsharing erwähnt er aber nicht. Der typische Käufer eines Elektroautos ist in Österreich nach wie vor ein Unternehmen, keine Privatperson.
Und bei den NEOS? Da kam das Wort Klimawandel in 50 Minuten Sendezeit gar nicht vor. Auch eine Leistung. Dass die Sendung vor den Kärntner Unwettern aufgezeichnet wurde, entschuldigt dies nicht. (Vielleicht aber, dass Beate Meinl-Reisinger von der Moderatorin so hart angefasst wurde wie kein anderer Gast.)
Insgesamt drängt sich nach diesen Sommergesprächen die Frage auf: Ist Österreich vom Dauerschlaf ins Klima-Koma gefallen?
Es geht ja nicht nur darum, im Vergleich zur vergangenen, klimapolitisch erfolglosen Legislaturperiode wenigstens ein klein wenig mehr voranzubringen. Im Vergleich zu Stillstand sehen kleine Schritte (ein Klimaticket, ein Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, ein abgespecktes Energieeffizienzgesetz) schon nach Beschleunigung aus.
Es geht darum, den Schneckentempo-Status im Vergleich zu anderen wohlhabenden Industrienationen endlich abzulegen und die österreichische Bevölkerung sowohl in städtischen als auch in ländlichen Klimarisikogebieten besser auf Hitze, Unwetter und Produktivitätsverluste in der Landwirtschaft vorzubereiten.
Ein Beispiel: Technologien zur CO2-Abscheidung und -Speicherung sind weltweit am Vormarsch. Die österreichische Schwerindustrie wäre gut positioniert, um sowohl durch privat als auch durch öffentlich finanzierte Forschung und Entwicklung auf sich aufmerksam zu machen. Aber die Elektrifizierung der Stahlproduktion und der Einsatz von Wasserstoff sind in Österreich bisher keine großen Themen. Und das, obwohl die Stahlproduktion in Österreich viermal so viel zum jährlichen Treibhausgas-Ausstoß beiträgt wie in der EU insgesamt.
Zum letzten Mal in internationalen Schlagzeilen erwähnt wurde Österreichs Klimapolitik übrigens, als das zuständige Ministerium Klimatickets für ein Jahr an Menschen verschenkte, die sich den Slogan des Klimatickets tätowieren ließen. „Sollte, wenn die Tätowierung schon ein Leben lang hält, nicht auch das Klimaticket ein Leben lang gratis sein?“ fragte ein US-amerikanischer Moderator. Bei aller Geschmacklosigkeit hätte eine derartige Aktion wohl wenigstens ein paar mehr Kilogramm CO2-Emissionen verhindert.
Die Chance, den Klimawandel in den Sommergesprächen zu thematisieren, haben die Spitzenpolitiker*innen in den Sommergesprächen verspielt. Das überrascht nicht, enttäuscht aber trotzdem.
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