Eine typisch österreichische Karriere
Rudolf Eisenmengers Personenstandesblatt bei der Einstellung als außerordentlicher Professor an der Technischen Hochschule Wien im Jahr 1951. Bild: Staatsarchiv/Dominik Ritter-Wurnig
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Dominik Ritter-Wurnig
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Eine typisch österreichische Karriere

“Warum 1951 jemand mit einem Kunstwerk fürs Parlament beauftragt wurde, der bis 1947 als Nazi Berufsverbot hatte, wäre auch interessant”, fragt sich Armin Wolf in einem Bluesky-Posting. Nicht nur er will das wissen, ich auch. Eine Recherche von Dominik Ritter-Wurnig.

1951 hat Rudolf Eisenmenger das Wandbild „Wappenschild“ im Parlament angefertigt, noch bis 1947 war Eisenmenger als NSDAP-Mitglied, NS-Kulturfunktionär und Maler von Propagandabildern mit einem Berufsverbot belegt. Aber wie kann es sein, dass Eisenmenger innerhalb von vier Jahren wieder zum gefragten Künstler aufstieg? 

Die erste Station meiner Recherche führt ins Parlamentsarchiv. „Wir haben trotz intensiver Recherchen keine Unterlagen zu dem Wandbild aufgefunden. Es scheint so, als ob die Beauftragung von Rudolf Hermann Eisenmenger nicht über die technische Gebäudeverwaltung des Parlaments erfolgte“, sagt Karin Schneider vom Parlamentsarchiv. 

In den Nachkriegsjahren war das damalige Ministerium für Handel und Wiederaufbau (heute: Wirtschaftsministerium) für die Wiedererrichtung des kriegsbeschädigten Parlaments zuständig. Im Österreichischen Staatsarchiv lasse ich mir die passenden Ministeriumsakten aus den Jahren 1950 und 1951 ausheben. Bautischler, Steinmetze, Heizungsinstallateure – zu diversen Gewerken und der Auftragsvergabe finde ich Unterlagen, Akten zur dekorativen und künstlerischen Ausgestaltung gibt es nicht. 

Fehlanzeige auch in der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG). Weiter geht meine Recherche in der Geschichtswissenschaft: Vom Institut für Zeitgeschichte an der Universität Wien werde ich zur Österreichischen Akademie der Wissenschaft (ÖAW) geschickt und wieder retour. Nun weiß ich: Das Eisenmenger-Bild im Parlament hat noch niemand erforscht; in den Archiven finden sich dazu keine Akten. Noch warte ich auf die Akten aus dem deutschen Bundesarchiv der NSDAP-Mitgliederkartei sowie der damaligen Reichskanzlei. To be continued.

Wie Eisenmenger Professor wurde?

Wozu ich aber Unterlagen gefunden habe, ist die Ernennung von Eisenmenger zum außerordentlichen Professor für zeichnerische und malerische Darstellung an der Architektur-Fakultät der Technischen Hochschule (heute: Technische Universität) Wien am 1. Juni 1951. Beworben hatte sich Eisenmenger nicht, sondern er wurde im Februar 1951 vom Bundesministerium für Unterricht dafür angefragt. Im Beurteilungsblatt vermerkt das Unterrichtsministerium, Eisenmenger „war wohl Mitglied der NSDAP, hat sich aber nie politisch betätigt und auch seine künstlerischen Arbeiten nicht nach parteipolitischen Gesichtspunkten ausgerichtet“. 

Glatte Geschichtskittung betrieb 1951 das Unterrichtsministerium bei der Beurteilung der Tätigkeit von Rudolf Eisenmenger als Künstler im Dienst der NS-Propaganda. Bild: Staatsarchiv/Dominik Ritter-Wurnig

Das entspricht glatt der Unwahrheit: Eisenmenger hat großformatige Propagandawerke für den Nationalsozialismus geschaffen; etwa das völkische Wandbild „Heimkehr der Ostmark” im Wiener Rathaus. In seinem Lebenslauf und Werkverzeichnis lässt er diese inzwischen nicht mehr opportunen Arbeiten weg. 

„Eisenmenger wurde von den Nazis nur als Künstler beschäftigt”

Auch das Bundeskanzleramt befasste sich 1951 mit Eisenmenger: Die Tätigkeit Eisenmengers bei der NSDAP habe sich ausschließlich auf künstlerischem Gebiet vollzogen. „Eisenmenger wurde von den Nazis nur als Künstler beschäftigt; politisch ist er aber nicht hervortreten”, heißt es in dem Schriftstück an das Präsidium des Bundeskanzleramtes - Ministerratsdienst.

„Er wurde von den Nazis nur als Künstler beschäftigt; politisch ist er aber nicht hervorgetreten", urteilt das Bundeskanzleramt 1951 über Rudolf Eisenmenger. Bild: Staatsarchiv/Dominik Ritter-Wurnig

Die Argumentation war selbst für die damalige Zeit atemberaubend und politisch umstritten. Zum historischen Vergleich, 1949 wurde in Deutschland der Filmregisseur Veit Harlan für seinen Propagandafilm „Jud Süß” wegen Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. Auch wenn Harlan letztlich in dem skandalträchtigen Verfahren freigesprochen wurde, beweist es, dass man auch schon 1950 verstand, dass künstlerische Propaganda politisch ist.

Dass NSDAP-Mitglied Rudolf Eisenmenger (Mitgliedsnummer 1.457.641) gegenüber seinem Arbeitgeber bei der Anstellung falsche Angaben machte, hatte keine Konsequenzen. Bild: Staatsarchiv/Dominik Ritter-Wurnig

Für das offizielle Österreich war die Sache damit erledigt; Eisenmenger war nonchalant rehabilitiert. Bei Dienstantritt füllt Eisenmenger ein Personenstandesblatt aus; die Fragen zur NSDAP-Mitgliedschaft lässt er blank. Konsequenzen hatte diese Falschangabe keine. Im Gegenteil, 1957 wurde Eisenmenger das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse verliehen.

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