Die fünf drängendsten medienpolitischen Themen
Die Regierungsverhandler*innen sprechen gerade auch über die Medienpolitik. Wo gibt es Gemeinsames und wo Trennendes?
Die Machtdemonstration begann schon mit der Antrittsrede von Walter Rosenkranz im Parlament. Seit dem 24. Oktober ist der FPÖ-Politiker und deutschnationale Burschenschafter der erste freiheitliche Nationalratspräsident Österreichs und hält damit das zweithöchste Amt im Land inne.
In seiner Antrittsrede kündigte Rosenkranz an, bei Gedenkfeiern für Opfer des Nationalsozialismus „auf die Seite zu treten“, um nicht mit der jüdischen Gemeinde auf Konfrontationskurs zu gehen. Drei Tage später, am 27. Oktober, präzisierte der frischgewählte Nationalratspräsident: Er werde an derartige Veranstaltungen teilnehmen, sich dabei aber nicht „in die erste Reihe“ stellen. Zumindest nicht „am Anfang“ seiner Amtszeit.
Einen ersten Termin habe er schon in seinem Kalender notiert, sagte er im ZIB2-Studio. Er werde am 9. November beim Gedenken an die Reichspogromnacht 1938 an der Shoa-Namensmauern-Gedenkstätte in Wien teilnehmen. Im Novemberpogrom 1938 entlud sich der nationalsozialistische Terror gegen Juden und Jüdinnen in aller Öffentlichkeit. Synagogen wurden zerstört, Geschäfte geplündert, Menschen gehetzt, gequält und getötet.
Aus der Teilnahme von Rosenkranz wird allerdings nichts, es gibt nämlich am diesjährigen 9. November kein Gedenken der IKG am Mahnmal. Der diesjährige 9. November fällt nämlich auf einen Samstag – einen Sabbat, den Ruhe- und Feiertag religiöser Juden und Jüdinnen, an dem nicht demonstriert wird.
Auf tag-eins-Nachfrage teilt Rosenkranz mit, dass er am „8. November anlässlich des Gedenkens eine Kranzniederlegung“ machen werde.
Seitens der jüdischen Community gab es im Vorfeld der Kandidatur von Rosenkranz scharfe Kritik. Nicht nur seine Mitgliedschaft in der deutschnationalen Burschenschaft Libertas, sondern auch ein Beitrag in einem Sammelband waren der Grund dafür. In dem Buch bezeichnete Rosenkranz Nazis als „Leistungsträger“, darunter etwa Hans Stich, der als NS-Generalstaatsanwalt viele Widerstandskämpfer ermorden ließ.
Auch ging die Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG) schon vor Jahren auf maximalen Abstand zur FPÖ. „Die IKG unterhält keine politischen Kontakte zu Vertretern der FPÖ“, lautet ihre Klarstellung. Begründet wird dies mit der „besonders großen Affinität zu Neonazis, Antisemiten, Shoah-Leugnern und Rassisten“ in Teilen der Partei. Eine Position, die zuletzt 2023 erneut wurde.
Zwei Tage nach seiner Angelobung, am 26. Oktober, zeigte Rosenkranz, wie offen die Grenzen zwischen der FPÖ und Rechtsextremen sind. Zwölf Minuten lang ließ sich der neu gewählte Nationalratspräsident von Philipp Huemer interviewen, dem ehemaligen Leiter der Wiener Identitären.
Huemer arbeitet für die rechtsextreme Online-Plattform Auf1, die durch die Verbreitung von „rassistischen Stereotypen sowie antisemitischen und verschwörerischen Inhalten“ auffällt, wie die deutsche Wochenzeitung „Die Zeit“ schreibt. Der österreichische Verfassungsschutz bezeichnet Auf1 als „rechtsextremes Medium“. Für Rosenkranz stellt das kein Hindernis dar. Er gebe allen Medien, „die nicht verboten sind“, ein Interview, erklärte er.
Am 31. Oktober empfing Rosenkranz den ungarischen Regierungschef Viktor Orbán im Parlament. Orbán war der erste Gast des neuen Nationalratspräsidenten.
Vor dem Hohen Haus wurde Orbán von einer Gruppe Demonstrierender mit Rufen wie „Alerta, alerta, antifascista!“ empfangen, während er im Gebäude von FPÖ-Spitzenpolitiker*innen begrüßt wurde: Überraschend war bei dem Treffen mit Rosenkranz auch FPÖ-Parteichef Herbert Kickl anwesend. Er wurde von FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker, EU-Delegationsleiter Harald Vilimsky und der Abgeordneten Susanne Fürst begleitet. Die FPÖ und Orbáns FIDESZ gehören beide der neuen Rechtsaußen-Europafraktion Patrioten für Europa an.
„Relativ kurzfristig“ nach Rosenkranz’ Kür zum Nationalratspräsidenten habe Orbán gesagt, dass er ihn im Zuge seiner neuen Rolle „gern besuchen und kennenlernen“ wolle. Es entspreche seinem „Naturell“, aber auch seiner „Aufgabe“ als Parlamentspräsident und „gebietet auch die Höflichkeit“, dass er ausländische Staatsgäste treffe, erklärte Rosenkranz.
Mitglieder anderer Parteien waren nicht dabei, es gab auch kein Treffen mit anderen Politiker*innen. Damit wurde aus einem offiziellen Besuch eine FPÖ-Veranstaltung. Das brachte Rosenkranz Kritik von sämtlichen anderen Parteien ein.
Nach einem ersten Treffen in größerer Runde zogen sich Orbán und Kickl zu einem bilateralen Gespräch zurück, in dessen Rahmen eine „Wiener Erklärung“ unterzeichnet wurde. Diese Erklärung fasst nach Angaben der FPÖ die zentralen Prinzipien von FPÖ und FIDESZ in Bezug auf Europa zusammen. Tatsächlich lässt sie wenig aus, was rechte bis rechtsextreme Kulturkämpfer*innen gerade trommeln. Rosenkranz war dafür verantwortlich, dass das Papier im Parlament unterzeichnet und in Kameras gehalten werden konnte.
In der Erklärung wird eine Bedrohung der „autochthonen Völker“ Europas durch „das Ausmaß illegaler Migration“ und den „organisierten Missbrauch des Asylrechts“ thematisiert. „Wir sehen dabei das Ausmaß illegaler Migration sowie den organisierten Missbrauch des Asylrechts als größte Bedrohung für die gewachsene Kultur Europas“, heißt es in dem Text. Zudem wird der Zentralismus der EU kritisiert. Der Text lehnt auch Geschlechtsidentitäten „neben Frau und Mann“ ausdrücklich ab: „Wir wenden uns auch ganz klar dagegen, dass es neben Frau und Mann noch eine absurde Vielzahl anderer Geschlechter geben soll und dass Kinder schon in jüngsten Jahren ihrer geschlechtlichen Identität durch linke Erziehungsexperimente verlustig gehen könnten.“ Transfeindlichkeit verbindet.
Nach dem Treffen mit der FPÖ-Spitze gastierte Orbán in den Wiener Sofiensälen. Auf Einladung der Schweizer Wochenzeitung „Die Weltwoche“ nahm er an einer gut besuchten Veranstaltung mit dem Titel „Frieden in Europa“ teil, gemeinsam mit dem deutschen Altkanzler Gerhard Schröder. Als Moderator trat „Weltwoche“-Chefredakteur Roger Köppel auf. Drei Männer, die sich durch ihre russlandfreundliche Haltung auszeichnen oder, wie Schröder, eine persönliche Freundschaft und Geschäftsbeziehungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin unterhalten. So waren bei der Veranstaltung Positionen zu hören, die zum Standardrepertoire pro-russischer Propaganda gehören.
Ohne den Besuch Orbáns bei Nationalratspräsident Rosenkranz hätte die Veranstaltung wohl kaum diese mediale und öffentliche Aufmerksamkeit erfahren. Neben zahlreichen Journalist*innen, waren auch der russische Botschafter in Wien, der ehemalige Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung Peter Gridling oder der ehemalige „Exxpress“-Chefredakteur Richard Schmitt gekommen.
Orbán nutzte seinen Auftritt, um über Russland und den Krieg in der Ukraine zu sprechen. Er kritisierte, dass Europa derzeit unfähig sei, Frieden zu schaffen und nur den Krieg fördere. Er bezeichnete Russland als christlich und europäisch, jedoch „anders“ und als ein Land, das „die Sprache der Macht“ spricht. Daher setzt Orbán seine Hoffnungen auf Trump, der seiner Ansicht nach durch eine pragmatische Verhandlungsweise einen schnellen Waffenstillstand in der Ukraine erreichen könnte, ohne moralisierende Ansätze, sondern mit Realpolitik.
Vor den Sofiensälen sorgte ein großes Aufgebot von Polizist*innen und Verfassungsschützern*innen für Ruhe und Ordnung. So führte die Polizei einen Mann weg, der sich mit einem selbst geschriebenen Transparent, auf dem er Orbán kritisierte, vor dem Eingang der Sofiensäle positioniert hatte. Auf dem Transparent war unter anderem zu lesen: „Putinfreund“, „Antisemit“, „Möchtegerndiktator“ und „Kein Raum für rechte Politiker“.
Die Hoffnungen, dass Walter Rosenkranz seine neue Rolle seriös und überparteilich anlegen wird, hat sich also bereits in den ersten Tagen seiner Präsidentschaft zerschlagen.
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