„Retten können uns nur Innovationen und technische Lösungen!“
Klimaschutz ist eh irgendwie gut. Darauf können sich die meisten Menschen einigen. Trotzdem flüchten sich viele in Ausreden, wenn es um konkreten Klimaschutz geht. Der Psychologe Thomas Brudermann nimmt diese Ausreden in unserer Serie unter die Lupe. Heute: Der Technologie-Hans.
Technologischen Lösungen und Innovationen werden uns aus der Klimakrise führen, das ist die große Hoffnung des Technologie-Hans. Er schwärmt von Wasserstoff, träumt von synthetischen Treibstoffen („E-Fuels“) und hofft auf Kohlenstoffspeicher. In die Steinzeit wolle ja niemand zurück, und folgerichtig könne man nur auf Innovation und Technologie setzen. Das Narrativ klingt logisch und ist ansprechend.
Der oft beobachtete Technologieoptimismus geht mit dem Versprechen einher, unsere gegenwärtigen Lebensstile wären mit einem stabilen Erdklima vereinbar: Wir machen weiter wie bisher, aber eben mit anderen Technologien. Also, E-Auto statt Verbrenner, E-Fuel statt Kerosin und Wasserstoff statt Erdgas. Am liebgewonnenen Status-quo ändert sich erstmal nichts. Geht es um ernsthaften Klimaschutz, greift dieser Technologieoptimismus allerdings zu kurz.
Installation statt Innovation
In einem haben der Technologie-Hans (aka Wasserstoff-Karl oder Anti-Steinzeit-Sebastian) natürlich recht: Für das Erreichen von Klimazielen brauchen wir die neuen Technologien: Die Emissionen können nur dann massiv sinken, wenn wir das Verbrennen fossiler Brennstoffe stoppen und Energie aus erneuerbaren Quellen gewinnen. Bei Strom- und Wärmegewinnung kommt man technologisch schon recht weit, und mit entsprechender Anstrengung könnte man die vorhandenen Lösungen in einem Land wie Österreich auch schnell umsetzen. Installation statt Innovation.
Zum Leidwesen des Techno-Hans gibt es aber eben auch jene Bereiche, wo die Lösungen nicht rein technologisch sein können. Ein solches Beispiel ist die Ernährung: In Österreich werden pro Jahr etwa mehr als 600.000 Rinder und über fünf Millionen Schweine geschlachtet. Die dahinterstehenden Prozesse sind alles andere als klimaschonend: Die Ernährung macht in Österreich in Summe immerhin 20 bis 30 Prozent der Treibhausgas-Emissionen aus.
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Für einen Kilogramm Rindfleisch fallen 10 bis 20 Kilo CO2-Äquivalente an, für ein Kilogramm Schweinefleisch ca. fünf Kilo. Technologisch lassen sich die Emissionen zwar senken (wenn z.B. grüner Strom am Bauernhof genutzt wird), die Fleischproduktion ist aber dennoch deutlich energie- und emissionsintensiver als die Pflanzenproduktion. Das Kilogramm Bohnen schlägt z.B. mit nur 0,8 Kilo CO2-Äquivalenten zu Buche und das Kilogramm Erdäpfel mit 0,1 Kilo CO2-Äquivalenten.
Nachhaltig fliegen mit Frittieröl? Eher nicht.
Auch im Bereich Mobilität geht es sich mit Technologien alleine nicht aus. E-Autos haben zwar eine bessere Klimabilanz als Verbrenner, aber das Label „Klimaschützer“ verdient ein schwerer Elektro-SUV nicht. Der Flugverkehr ist von Nachhaltigkeit sowieso so weit entfernt wie Vladimir Putin vom Gewinn des Friedensnobelpreises. Daran ändern auch angeblich „nachhaltige“ Flugtreibstoffe aus Pflanzenölen und synthetischen Brennstoffen nichts, denn die erweisen sich bei näherer Betrachtung als Marketing-Gag: Biotreibstoffe benötigen riesige Anbauflächen, Dünger und Pestizide, und sie stehen in direkter Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion. Synthetische Treibstoffe können nicht in ausreichenden Mengen produziert werden, um die globale Flugzeugflotte zu betanken, und werden außerdem auch in Industrie und Landwirtschaft benötigt.
Bleibt noch die Hoffnung Altspeiseöl aus Schnitzelbuden und Co. Das wurde immerhin von der OMV in einer Werbekampagne als Teil der Lösung angepriesen. Realistisch ist es aber nicht. Es gibt schlicht nicht genug davon, oder in anderen Worten: Um genug Altöl für das Betanken von Flugzeugen zu haben, müssten wir mehr Schnitzel panieren als wir essen können. Klimafreundlich wären weder der ins Unermessliche steigende Schnitzelkonsum noch das Öl-Verbrennen in zehn Kilometern Flughöhe. Geglaubt wird das Märchen vom nachhaltigen Flugverkehr trotzdem gerne.
Am Ende steht jedenfalls eine unbequeme Erkenntnis: Wenn man Klimaschutz ernstnehmen möchte, dann sind bessere Technologien nur ein Baustein, aber nicht die Gesamtlösung. Das Beispiel Flugverkehr zeigt es am deutlichsten. Nehmen wir an, es gelänge uns irgendwann tatsächlich, die Klimaschäden einer Flugreise durch bessere Treibstoffe, sorgfältige Routenplanung und effizientere Maschinen zu halbieren. Dem Klimaschutz würde das nichts bringen, wenn wir dann – mit gutem Gewissen – drei Mal so viel fliegen. Ohne auch gleichzeitig unsere Lebensstile zu überdenken, wird es mit der Klimaneutralität nichts.
Sorry, Technologie-Hans.
Thomas Brudermann ist Psychologe und Professor für Innovations- und Nachhaltigkeitsforschung an der Universität Graz. Sein Buch „Die Kunst der Ausrede. Warum wir uns lieber selbst täuschen, statt klimafreundlich zu leben“ ist 2022 erschienen.