Rechtsextremer Terror ad acta gelegt?
Ein Mahnmal in Oberwart erinnert an den tödlichen Anschlag auf die Roma-Gemeinschaft. Foto: priwo/Wikimedia Commons
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Markus Sulzbacher
Reporter

Rechtsextremer Terror ad acta gelegt?

Die Akten zum schwersten rechtsextremen Attentat in der zweiten Republik bleiben noch 20 weitere Jahre unter Verschluss. tag eins analysiert die Ermittlungsarbeit der Polizei rund um die Briefbombenserie von Franz Fuchs.

Vor 30 Jahren, in der Nacht auf den 5. Februar 1995 wurden im burgenländischen Oberwart vier Roma ermordet: Josef Simon, Peter Sarközi, Erwin und Karl Horvath starben beim Versuch, eine Tafel mit der Aufschrift „Roma zurück nach Indien“ zu entfernen, die sich als Sprengfalle entpuppte. Es war der Höhepunkt einer rechtsextremen Bombenserie, die Österreich von 1993 bis 1996 in Atem hielt. Ziele waren Angehörige von Minderheiten und Personen, die sich für Geflüchtete einsetzten.

Die Akten der Sicherheitsbehörden über diese Terrorwelle bleiben noch Jahre unter Verschluss. Statt der üblichen 30 Jahre unterliegen sie einer erweiterten Schutzfrist von 50 Jahren. Frühestens ab dem Jahr 2043 können Wissenschaftler*innen und Journalist*innen sie im Staatsarchiv einsehen. Begründet wird dies damit, dass die Akten umfangreiche, personenbezogene Informationen – teilweise aus dem höchstpersönlichen Lebensbereich von Zeugen, Verdächtigen und am Rande beteiligten Personen – enthalten.

Es ist davon auszugehen, dass die Akten den einstigen Ermittlern kein sonderlich gutes Zeugnis ausstellen. „Es kam zu Fehlern, Pannen, internen Querelen und Rückschlägen“, fasste die Zeitschrift des Innenministeriums Öffentliche Sicherheit in einem Artikel im Jahr 2023 die Ermittlungen ungewöhnlich selbstkritisch zusammen.

Fragwürdige Ermittlungen

Bezeichnend für die Fahndung nach den Rechtsterroristen war auch, dass die ermordeten Roma in Oberwart erst nach 37 Stunden zu Opfern erklärt wurden. Zuvor galten sie als mögliche Täter, da die Polizei von einer „internen Fehde“ ausging. Es gab daher keine Großfahndung, keine Straßenkontrollen und auch keine Warnung an die Bevölkerung. Dafür wurden die Wohnungen der Opfer und später alle 13 Wohnungen der Oberwarter Romasiedlung durchsucht – davon waren Personen betroffen, die kurz zuvor Angehörige verloren haben. Diese Durchsuchungen fanden am Nachmittag statt, während Medien bereits über einen Terroranschlag spekulierten.

Passend dazu wurde der Täter nicht von den Ermittlern ausgeforscht, sondern im Jahr 1996 zufällig geschnappt. Der steirische Vermessungstechniker Franz Fuchs verlor bei einer Verkehrskontrolle die Nerven und zündete beim Aussteigen aus seinem Auto einen Sprengsatz. Dieser riss ihm beide Hände ab. Fuchs galt als Einzeltäter. Er erhängte sich später in der Haft, was die Gerüchte über ein geheimes, rechtes Netzwerk nie ganz verstummen ließ. Erst vor wenigen Tagen wärmte der ehemalige Anwalt von Fuchs diese Erzählung auf. „Ich glaube nicht, dass Fuchs ein Einzeltäter war“, sagte er der Kronen Zeitung. Beweise gibt es dafür allerdings keine. Dass Fuchs alleine bombte, bezweifelten auch einige seiner Opfer, darunter der ehemalige Wiener Bürgermeister Helmut Zilk, der durch eine Briefbombe schwer verletzt wurde. Trotzdem wurden nach dem Tod von Fuchs keine neuen Ermittlungen aufgenommen.

Die unter Verschluss gehaltenen Akten der Ermittler dürften einen Einblick in die rechtsextreme Szene der 1990er-Jahre und das Umfeld von Fuchs liefern. Bis Anfang 1995 gingen die Ermittler davon aus, dass die Täter im rechtsextremen Milieu zu finden seien. Es hatte den Anschein, als stecke eine Bande hinter den Anschlägen. In Bekennerbriefen gab sich die „Bajuwarische Befreiungsarmee BBA“ als Schaltzentrale für den Bombenterror aus. Allerdings blieb die Suche der Ermittler erfolglos und sie schwenkten um. Hinter den Anschlägen könnte ein Einzeltäter oder eine sehr kleine Gruppe stehen, die nicht unbedingt der rechtsradikalen Szene angehörte, lautete damals der neue Ermittlungsansatz.

Obwohl Fuchs es selbst bei Verhören immer wieder in Abrede stellte, blieb die Polizei bei ihrer Einzeltätertheorie: Für sie war er ein „hochintelligenter Eigenbrötler“.

Autor*in: Markus Sulzbacher

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