Die Begründung, mit der die Demonstration für eine Regierungsbeteiligung der FPÖ in der Wiener Innenstadt von der Polizei untersagt wurde, schlug hohe Wellen. Die Exekutive begründete die nicht erteilte Genehmigung nämlich mit der Sorge um das Weihnachtsgeschäft am Einkaufssamstag. Nicht das erste Mal, aber dieses Mal traf es eine rechte Demonstration. Schließlich wurde eine Standkundgebung am Heldenplatz genehmigt, von dem dann eine spontane Demonstration mit 1.500 bis 1.800 Personen loszog und den Verkehr am Ring trotzdem zum Erliegen brachte – obwohl die Polizei starke Kräfte im Einsatz hatte.
Angeführt wurde dieser Zug zeitweise auch von Identitären, die ein Transparent mit der Aufschrift „Bevölkerungsaustausch stoppen, Remigration starten“ trugen. Zuvor hatte die Polizei bei Rechtsextremisten der Gruppe Defend Austria Messer, Pfeffersprays und eine Schreckschusspistole gefunden. Andere Demoteilnehmer*innen griffen die Polizei am Burgtor an. Dabei flogen Fäuste und volle Bierdosen. Bekannte FPÖ-Politiker*innen waren auf der Demonstration nicht zu sehen, auch hielt sich die Partei bei der Mobilisierung auffällig zurück. Die Untersagung wurde von den Freiheitlichen jedoch scharf kritisiert.
Maßgeblich organisiert wurde die Kundgebung von der Gruppe Fairdenken, die bereits gegen die Maßnahmen zur Eindämmung von Corona auf die Straße und andere Themen wie Energiepreise, Sanktionen gegen Russland oder gegen die Wiederwahl von Bundespräsident Alexander Van der Bellen auf die Straßen ging. Politisch steht Fairdenken sehr weit rechts, auf ihrer Homepage wird etwa das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus als „Schuldkult“ verunglimpft.
Neben den Identitären ließen sich auf der Kundgebung auch bekannte Neonazis auf der Kundgebung blicken. Später wurde im 2. Wiener Gemeindebezirk einem chassidischen (ultra-orthodoxen) Juden sein Schtreimel (die traditionelle Kopfbedeckung am Shabbat) vom Kopf gerissen und gestohlen. Und zwar von einem Mann, der Teil einer Gruppe war, die zuvor auf der Demonstration war und der rechtsextremen Szene zugeordnet werden konnte. Dies belegen Fotos, die tag eins vorliegen.
Die Polizei widerspricht allerdings in einer Stellungnahme, dass es einen Zusammenhang mit der Demonstration gab, auch wird der Täter nicht dem rechtsextremen Milieu zugerechnet. Auch bei Berichten über die Demonstration fiel auf, dass das Wort „Rechtsextremismus“ nicht vorkam. Bei ORF.at wurden zwar Waffenfunde bei der FPÖ-Demonstration erwähnt, aber nicht, dass diese von Rechtsextremen mitgeführt wurden. Auch eine politische Einordnung der Gruppe Fairdenken ist in dem Beitrag nicht zu finden, ebenso liest man nichts über die Teilnahme von bekannten Neonazis oder Identitären.
Auch im Falter.morgen-Newsletter vom Montag kommt das Wort Rechtsextremismus nicht vor. Zwar wird über eine Gruppe junger Männer mit einem „Look zwischen Skinhead und Sellner“ geschrieben, aber nicht erwähnt, dass Sellners Anhänger und Identitäre bei der Demonstration waren und diese zeitweise sogar anführten. Dafür werden Demonstrierende in dem Beitrag als „heterogene Masse“ bezeichnet, obwohl sie für eine Regierungsbeteiligung der FPÖ auf die Straße gingen. Und für den „Frieden“, wie sie behaupteten.
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