Hasskommentare und Online-Gewalt treffen Frauen besonders häufig – persönlich, sexistisch und verletzend. Neue EU-Gesetze sollen den digitalen Raum sicherer machen – doch es gibt noch viel zu tun.
Vorletzte Woche traf die deutsche AußenministerinAnnalena Baerbock eine Welle von Hasskommentaren in den sozialen Medien, nachdem sie die Trennung von ihrem Mann öffentlich bekannt gegeben hatte. Die deutsche Journalistin Düzen Tekkal äußerte sich dazu auf Instagram: „Der Spott, die Verachtung und die Häme, die sich seit der gestrigen Verkündung der Trennung zwischen unserer Außenministerin Annalena Baerbock und ihrem Mann unter dem Hashtag #Baerbock Bahn brechen, sind so ekelhaft, dass ich nichts davon reproduzieren werde.“
Die Kommentare sind nicht nur beleidigend, sondern zutiefst frauenfeindlich. Viele Nutzer*innen werfen Baerbock vor, sich zu wenig um ihre Familie gekümmert zu haben – Unterstellungen, die Männer in ähnlichen Positionen nur selten treffen. Diese persönlichen Angriffe sind eine Form von Online-Gewalt. Julia Schaffner, Geschäftsführerin der Beratungsstelle Frauen* beraten Frauen*, sagt: „Online-Gewalt beginnt dort, wo Aussagen abwertend sind oder eine Einmischung in das persönliche Leben darstellen.“
Gesetze, die schützen wollen
Online-Hass richtet sich häufig gegen Frauen. Besonders gefährdet sind Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen. 2021 befragte etwa das Momentum Institut in Zusammenarbeit mit der Journalistin Ingrid Brodnig heimische Nationalratsabgeordnete zu ihren Erfahrungen mit Hassnachrichten: 73 Prozent der Befragten hätten schon sexualisierte oder frauenfeindliche Nachrichten über das Internet erhalten. Gewalt gegen Frauen im Netz macht aber auch vor Privatpersonen nicht halt. In einer 2018 erschienen Studie des Forschungszentrums für Menschenrechte gibt jede dritte Befragte an, mindestens einmal in den letzten zwölf Monaten eine Online-Gewalterfahrung erlebt zu haben.
„Frauen kommen mit einem ungewohnten Gefühl in die Beratung und wissen oft gar nicht, dass das, was sie erleben, strafbar ist.“ Julia Schaffner, Geschäftsführerin der Beratungsstelle Frauen beraten Frauen*
Das Thema ist in den letzten Jahren mehr ins Bewusstsein der Politik gekommen. So soll das 2021 in Kraft getretene „Hass-im-Netz-Bekämpfungsgesetz“ einen effektiveren Schutz vor Hass-Postings im Internet bieten. Doch die Rechtsmittel des Gesetzes werden weniger genutzt, als erwartet.
Es braucht Bewusstseinsbildung
Schaffner sagt: „Viele Betroffene wissen nicht, dass sie rechtliche Schritte einleiten können.“ Es fehle das Bewusstsein, dass eine Handlung rechtswidrig sei – bei übergriffigen Personen wie bei Frauen: „Frauen kommen mit einem ungewohnten Gefühl in die Beratung und wissen oft gar nicht, dass das, was sie erleben, strafbar ist.“ Um hier mehr Bewusstsein zu schaffen, hat die Organisation das Handbuch „Ist das schon Gewalt“ herausgegeben.
Betroffenen Frauen rät Schaffner, zunächst emotionalen Abstand zu gewinnen. Ein dauerhafter Rückzug aus dem Internet sei aber kontraproduktiv: „Weil dann die aggressive Minderheit den Raum einnimmt und das Internet für sich okkupiert.“ Algorithmen verstärken diesen Eindruck.
Gemeinnützige Organisationen als Kontrollinstanz?
Schaffner sieht hier die großen Plattformen wie Meta (Instagram, Facebook), Google (Youtube), Tiktok oder X in der Verantwortung. Mit der EU-Verordnung Digital Services Act (DSA) und dem dazugehörigen heimischen DSA-Begleitgesetz wurden Anfang des Jahres strengere Regeln eingeführt, um illegale Inhalte auf diesen Plattformen einzudämmen. Unter anderem sieht der DSA vor, dass gemeinnützige Organisationen (NGOs) die Plattformen überwachen und illegale Inhalte melden. Schaffner sieht das kritisch: „Da wird die Verantwortung der Überwachung auf NGOs abgeschoben, die ohnehin mit ihren Ressourcen zu kämpfen haben, sowohl finanziell als auch zeitlich. Aber Geld wird uns dafür nicht zur Verfügung gestellt.“
„Wir sollten nicht immer von Frauen verlangen, dass sie sich selbst schützen oder verteidigen, sondern von übergriffigen Menschen, dass die sich gefälligst zusammenreißen.“ Julia Schaffner, Geschäftsführerin der Beratungsstelle Frauen beraten Frauen*
Die Effekte der neuen EU-weiten Verordnung sind abzuwarten. Was es auf jeden Fall brauche, sagt Schaffner, sei mehr Problembewusstsein und Aufklärungsarbeit, sowohl bei Betroffenen als auch bei übergriffigen Personen. Das müsse schon in der Schule beginnen. Schon Volksschüler*innen hätten mit Handys Zugang zu einer Fülle an ungeeigneten Informationen. Angesetzt werden müsse aber vor allem bei jenen, die Hasskommentare oder Ähnliches posten, sagt Schaffner: „Wir sollten nicht immer von Frauen verlangen, dass sie sich selbst schützen oder verteidigen, sondern von übergriffigen Menschen, dass die sich gefälligst zusammenreißen.“
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