Verschiedene Mikrofone als Symbol für verschiedene Meinungen und Weltbilder. Bild: Canva/Eigene Darstellung
Jolanda Allram
Reporterin
Objektiven Journalismus gibt es nicht
Guter Journalismus muss objektiv sein. Zumindest lautet so ein weit verbreiteter Irrglaube. tag eins räumt damit auf.
Es ist eine unendliche Geschichte: Medien kritisieren die FPÖ, die FPÖ wirft Medien mangelnde Objektivität vor. Aber ist qualitativ hochwertiger Journalismus wirklich immer objektiver Journalismus?
Medien sollen die Welt abbilden, wie sie wirklich ist. Wie ein Spiegel beobachten sie die Wirklichkeit von außen. Nur so können sich Bürger*innen eine Meinung bilden und informierte Wahlentscheidungen treffen. Objektivität gilt dabei als das Qualitätskriterium für Journalismus. Wenn etwas anderes behauptet wird, lässt das auch gern mal die Emotionen im Standard-Forum überkochen.
Die Wirklichkeit ist komplex Doch die Spiegelmetapher hinkt leider. In demokratischen Gesellschaften sehen Kommunikationswissenschaftler*innen Medien als Teil der Wirklichkeit. Als solche können sie keine objektive Außenperspektive einnehmen. Auch hier gibt es eine Metapher: Die Wirklichkeit ist ein Sonnensystem und Medien sind Planeten, die sich darin bewegen. Aus jeder Position im Sonnensystem ergibt sich ein anderer, subjektiver, Blickwinkel auf das Geschehen. Außerdem werden Planeten von anderen Himmelskörpern beeinflusst und beeinflussen diese im Gegenzug.
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Der gegenseitige Einfluss ist vielfältig. Journalist*innen treffen aufgrund ihrer Sozialisation und ihrem persönlichen Weltbild subjektive Entscheidungen in Hinblick auf die Themen, über die sie berichten, Expert*innen, die sie befragen oder die Aspekte eines Themas, die sie aufgreifen. Medien geben eine Blattlinie vor, die oft abhängig ist von ihren Eigentumsverhältnissen. Politik oder Unternehmen beeinflussen ebenso, was berichtet wird. Mit Hilfe von Presseaussendungen, Pressekonferenzen oder kontroversen Aussagen rücken sie ihre eigenen Interessen in den Fokus und setzen Themen.
Aber auch das Publikum beeinflusst die Medien: In einem wettbewerbsorientieren Markt wollen Medien auch die Wünsche ihrer Zielgruppe befriedigen. Wegen der Abhängigkeit von Google und den Social Media-Algorithmen machen sie das oft mit Inhalten, die wenig gesellschaftliche Relevanz haben, sondern auf kurzfristige Aufmerksamkeit abzielen. Medien beeinflussen sich zudem gegenseitig: Themen und Narrative werden von einander aufgegriffen und so bestimmte Diskurse verstärkt.
Werte jenseits von Objektivität Die Forschung nennt die Vorstellung, dass Medien die Realität widerspiegeln können, sogar naiv. Objektivität im wissenschaftlichen Sinn ist nicht das Fehlen von Subjektivität. Sie ist vielmehr dann gegeben, wenn alle Fakten stimmen, Quellen transparent kommuniziert und Nachrichten wertungsfrei wiedergegeben werden. Wobei die Auswahl einer Nachricht eben auch schon eine Wertung ist, echte Objektivität ist also gar nicht erreichbar.
Journalist*innen sind auch nur Menschen und haben eine Haltung zu Themen. Sich dieser bewusst zu sein und sie auch transparent zu kommunizieren, macht es ihnen möglich, die eigenen Entscheidungen zu reflektieren und dadurch guten Journalismus zu machen. Jener zeichnet sich durch Vielfalt aus, sowohl was die Themen als auch die Perspektiven betrifft. Er ist leicht verständlich. Er ist ausgewogen. Das heißt aber nicht, dass alle Meinungen im gleichen Ausmaß vorkommen müssen. Und dort, wo Meinungen demokratiefeindlich sind, haben Medien sehr wohl die Aufgabe, sie als solche einzuordnen.
Eine blühende Medienlandschaft, die Verantwortung trägt Wenn Objektivität nicht mehr das Maß aller Dinge im Journalismus ist, dann ist eine vielfältige Medienlandschaft umso wichtiger – denn es ist die Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Meinungen, die eine Demokratie ausmacht. In dieser sind Medien eine Kontrollinstanz. Wenn Journalist*innen Aussagen kritisieren, in denen demokratische Prinzipien oder Menschenwürde infrage gestellt werden, ist das keine Parteilichkeit, sondern journalistische Verantwortung. Das zeigt sich gerade in der Auseinandersetzung mit rechtsextremen Positionen. Denn auch wenn im Journalismus oft an der Idee der Objektivität festgehalten wird, ist der gemeinsame Nenner der Schutz der Demokratie. Und das ist eine klare Haltung.
Vor einem Jahr haben an dieser Stelle fünf junge Journalist*innen erzählt, wie es ihnen in einer sterbenden Branche geht. tag eins hat nachgefragt: Was hat sich bei den Jungjournalist*innen verändert, was verbessert und was verschlechtert?
Die Pandemie hat verdeutlicht, wie abhängig Medien von öffentlichem Geld sind. Die Corona-Jahre waren für die Branche dank Kurzarbeit und Regierungsinseraten „finanziell nicht schlecht“.
Der Chefredakteur der „Kleinen Zeitung“ Hubert Patterer wurde vergangene Woche mit dem renommierten Kurt-Vorhofer-Preis ausgezeichnet. In seiner Dankesrede hat er vor allem ausgeteilt – Richtung links und gegen jüngere Menschen. Eine Replik.