Was Neonazis mit Motorradclubs verbindet
Eine solche Rockergang wurde in den frühen Morgenstunden des 26. Juni ausgehoben. Bei insgesamt 13 Hausdurchsuchungen in Ober- und Niederösterreich fand die Polizei neben hunderten Waffen, Bargeld und Drogen auch NS-Devotionalien, eines der Verstecke war der Keller eines Rotlichtlokals. Ziel der Behörden waren Mitglieder der weltweit agierenden Motorradgang Bandidos. Sie wollen in Österreich Fuß fassen, sagt der Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, Franz Ruf, bei einer Pressekonferenz am Donnerstag. Sechs Personen sitzen in U-Haft, darunter ein Mann, der eine „sehr hohe Führungsperson“ der ehemaligen Neonazi-Gruppe „Objekt 21“ – dazu gleich mehr – war. Auch andere Beschuldigte kommen aus dem rechtsextremen Milieu.
Es ist kein neues Phänomen, seit Jahren tauchen Neonazis im kriminellen Rockermilieu auf. Bis zum spektakulären Waffenfund des Bundeskriminalamtes hat diese Vermischung zweier gefährlicher Milieus wenig öffentliche Aufmerksamkeit erregt.
Bei rechtsextremen Rockern – das Gendern kann man sich hier sparen – geht es weniger um die Verbreitung von Ideologie als um Geschäftemacherei. Mit Geld aus Drogen- und Waffenhandel lässt sich das Leben finanzieren und Geld für politische Aktivitäten aufstellen. Dazu kommt ein Umfeld, in dem ständig „Action“ angesagt ist, Gewalt und Männlichkeit den Ton angeben – ein natürlicher Lebensraum für viele männliche Rechtsextreme.
Vorbild: Objekt 21
Einen Namen als „Nazi-Rocker“ haben sich in den vergangenen Jahren die Turonen gemacht, die im deutschen Thüringen aktiv waren. Die Neonazi-Gruppe orientierte sich organisatorisch wie optisch an Rockergangs, dominierte regional den Drogen- und Waffenhandel und betrieb ein Bordell. Zusätzlich veranstaltete sie Rechtsrockkonzerte. Als ihr Vorläufer kann das „Objekt 21“ gesehen werden, jener Verein, in dem auch einer der jüngst Festgenommen aktiv war.
Der 2010 gegründete und im Jahr 2011 behördlich aufgelöste Verein hatte sich in einem Bauernhof im Bezirk Vöcklabruck eingemietet und dort ein „Partyzentrum“ eingerichtet, dessen Bar germanische Runen zierten. Die Grillstelle im Garten war in Form einer „Schwarzen Sonne“, eines SS-Symbols, angelegt, am Eingang wurde die Reichskriegsflagge gehisst. Aus der politischen Überzeugung wurde kein Hehl gemacht.
Die Vereinigung bestand aus einem harten Kern von 30 Leuten und einem etwa 200 Personen starken Sympathisant*innenkreis. Sie begann ein kriminelles Netzwerk aufzubauen und knüpfte Kontakte nach Deutschland, unter anderem zur bayerischen Rocker- und thüringischen Neonazi-Szene.
Bei Hausdurchsuchungen beschlagnahmte die Polizei Sprengstoff und mehrere Schusswaffen. Zu den kriminellen Aktivitäten von „Objekt 21“-Mitgliedern zählten unter anderem bewaffnete Raubüberfälle, Erpressung, Körperverletzung, Entführung, Drogen- und Waffenhandel. Zudem hatte der österreichische Verein Kontakte ins Rotlichtmilieu und verübte Anschläge, etwa mit Buttersäure und Brandsätzen. Mehrere Männer wurden für ihre Straftaten verurteilt, darunter ein Bordellbesitzer, der Neonazis für Anschläge anheuerte.
Brennpunkt Vorarlberg
Schon bevor das „Objekt 21“ verboten wurde, wurde der Verein „Motorradfreunde Bodensee“ behördlich aufgelöst. Der Club war im Februar 2008 in die Schlagzeilen geraten, als ein Skinhead bei einer Schlägerei mit Mitgliedern eines anderen Motorradclubs gewaltsam ums Leben kam. Die Behörden nahmen den Verein daraufhin genauer unter die Lupe und kamen zu dem Schluss, dass sich seine Aktivitäten nicht mit den Vereinsstatuten – in denen von Motorradausfahrten und Kontaktpflege die Rede war – deckten.
Konkret wurden rechtsextreme Umtriebe der Mitglieder vermutet. Der Verein fördere durch Veranstaltungen, vor allem Konzerte, die Verbreitung rechtsradikalen Gedankenguts, lautete die Begründung der Bezirkshauptmannschaft Bregenz. Das Vereinslokal in Wolfurt im Bezirk Bregenz wurde geschlossen.
Neonazis in kriminellen Motorradclubs zählen zu den aktuellen Erscheinungsformen des Rechtsextremismus in Österreich. Bisher waren sie nur selten in der Öffentlichkeit ein Thema, obwohl von ihnen ein beachtliches Gewaltpotenzial ausgeht, wie die jüngsten Waffenfunde zeigen.
Ebenfalls in Vorarlberg ereignete sich 2016 ein Amoklauf während eines Festes des Motorradclubs „The Lords“. Ein 27-Jähriger mit Neonazi-Vergangenheit tötete nach einem Streit mit seiner Lebensgefährtin zwei Menschen. Der Täter schoss mit einem Nachbau einer Kalaschnikow, die er illegal besaß.
Treffpunkt: Corona-Demo
Wie eng Neonazis und Rocker vernetzt sind, zeigte sich in den vergangenen Jahren auf sogenannten Corona-Demonstrationen in Wien. Bekannte Neonazis waren dort gemeinsam mit Mitgliedern eines Motorradclubs zu beobachten. Auch bei Kampfsportevents sind teilweise Personen aus beiden Gruppen anzutreffen. Zusätzlich kleiden sich Neonazis oftmals wie Rocker, tragen lange Lederhosen und eine „Kutte“, wie die ärmellose Lederweste genannt wird. Manche besitzen auch ein Motorrad. Optisch sind diese Neonazis also eher „Sons of Anarchy“ als Glatzen oder Seitenscheitel.
Neonazis in kriminellen Motorradclubs zählen zu den aktuellen Erscheinungsformen des Rechtsextremismus in Österreich. Bisher waren sie nur selten in der Öffentlichkeit ein Thema, obwohl von ihnen ein beachtliches Gewaltpotenzial ausgeht, wie die jüngsten Waffenfunde zeigen.