Die fünf drängendsten medienpolitischen Themen
Die Regierungsverhandler*innen sprechen gerade auch über die Medienpolitik. Wo gibt es Gemeinsames und wo Trennendes?
Ende Jänner 2024 sorgte ein Artikel in der „Kronen Zeitung“ für Aufregung. Dieser berichtete darüber, dass die Jugendzeitschrift „Spatzenpost“ einen Auszug aus dem Kinderbuch „Die Klimaschweine“ abdruckte, in dem Kurzstreckenflüge sowie Eltern-Taxis an den Pranger gestellt wurden. „Hier werden schon kleine Kinder gegen die Eltern aufgehetzt“, zitierte die „Krone“ dazu „die Mutter eines Zweitklässlers“. Das reichte der FPÖ. Sie forderte daraufhin, die „Spatzenpost“ aus heimischen Klassenzimmern zu verbannen.
Es ist eine Anekdote, die zum politischen Klima passt. Im Gleichklang haben Boulevard und rechten Parteien die Klimabewegung im vergangenen Jahr zum Feindbild erklärt. Besonders die sogenannten „Klimakleber“ der Organisation „Letzte Generation“, die mit drastischen Aktionen wie Straßenblockaden oder dem Überschütten von (mit Glas bedeckten) Gemälden für Schlagzeilen sorgen, stehen im Fokus.
Irgendwie passt es, dass seit Ende 2023 die Staatsanwaltschaft Wien gegen mehrere Aktivist*innen der „Letzten Generation“ ermittelt, wegen des Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung (Paragraf 278 StGB). ___STEADY_PAYWALL___ Der Paragraf wurde eigentlich zur Bekämpfung organisierter Kriminalität geschaffen und wird daher auch „Mafiaparagraf“ genannt. Er kam auch schon bei Ermittlungen gegen Tierschützer*innen zur Anwendung – die allesamt freigesprochen wurden. Erneut wird er nun gegen „eine als ,lästig‘ empfundene zivilgesellschaftliche Bewegung verwendet“, sagt nun der Rechtsanwalt Ralf Niederhammer, der die Klimaschützer*innen vertritt.
Der Tatbestand der „kriminellen Vereinigung“ setzt voraus, dass Kriminelle eine „unternehmerähnliche“ Organisation bilden, die das Ziel hat, „schwerwiegende“ Straftaten zu begehen. Für die Ermittler*innen hat der Paragraf 278 StGB jedoch einen großen Vorteil: Sie können vergleichsweise leicht Telefongespräche abhören oder Hausdurchsuchungen durchführen, sowie großen Druck ausüben. Schließlich wird gegen eine organisierte, höchst kriminelle Gruppe ermittelt.
Für eine Anklageerhebung haben die bisherigen Ermittlungen nicht gereicht. Die „Letzte Generation“ wartet noch immer, ob die „Beweise gefunden werden, die es nicht gibt“, wie eine Sprecherin zu tag eins sagt. Wie lange die Behörden-Ermittlungen noch dauern, ist unklar. Die Aktivist*innen rechnen mit einem Abschluss vor der Wahl im September 2024 und dann klar ist, ob es zu einer Anklage kommt.
Die Aktivist*innen gehen aktuell davon aus, dass sie massiv überwacht werden. Beweise, etwa für eine rund um die Uhr-Telefonüberwachung oder eine Telefonortung, haben sie aber nicht. Doch es gibt Indizien, die darauf schließen lassen, so die Sprecherin. Etwa wenn die Polizei sehr rasch an bestimmten Orten auftaucht. Dazu kommt, dass schon in der Vergangenheit eine bekannte Aktivistin vom Verfassungsschutz observiert wurde. Offiziell will dies der Verfassungsschutz, die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), nicht kommentieren: „Interne Vorgänge bzw. nachrichtendienstliche Informationsgewinnungsaktivitäten und/oder sicherheitsbehördliche Maßnahmen sind nicht geeignet, öffentlich thematisiert zu werden“, heißt es dazu auf Anfrage.
Aber es wird bestätigt, dass es Überwachungsmaßnahmen gibt. Auf Anfrage heißt es „nicht der Klima- oder Umweltaktivismus als solcher, sondern jene Elemente der Klimabewegung, die sich zu einer ernstzunehmenden Bedrohung entwickeln könnten“ sind im Blick des Verfassungsschutzes. Damit wurde eine Forderung der FPÖ umgesetzt, die als erste Partei nach dem Verfassungsschutz im Zusammenhang mit Klimaaktivismus rief.
Im Oktober 2023 hatte die DSN die „Letzte Generation“ in mehreren Stellungnahmen als „eindeutig nicht extremistisch“ eingestuft. Dem widersprach die ÖVP. Die Regierungspartei fordert immer wieder, wie auch die FPÖ, ein schärferes Vorgehen gegen die Aktivist*innen. In beiden Parteien werden sie als „Klimaterroristen“ bezeichnet. Solche harten Sprüchen kommen bei vielen Menschen an und garantiert Medienberichterstattung.
Eine andere Sache kommt hingegen kaum an: Die „Letzte Generation“ kann seit Monaten immer wieder kleinere juristische Erfolge erzielen. Aktivist*innen bringen Übergriffe der Polizei vor Gericht. Zuletzt gab das Wiener Verwaltungsgericht einer Aktivistin recht, die nach einer Protestaktion von der Polizei festgenommen wurde und im anschließenden Polizeigewahrsam von einer Beamtin im Intimbereich abgetastet wurde. „Grundlos“, wie die Aktivistin sagt. Das sah auch das Wiener Verwaltungsgericht so: Die polizeiliche Maßnahme wurde als rechtswidrig beurteilt.
Der Anwalt der Aktivistin, Clemens Lahner, erklärte: „Das Verwaltungsgericht Wien hat sowohl den Befehl, auch die Unterhose herunterzuziehen bzw. das Abtasten durch die Unterhose hindurch für rechtswidrig erklärt, als auch, dass die Beamtin beim Verlassen dieses Raumes die Türe offenstehen lassen hat. Meine Mandantin hatte nicht ausreichend Zeit, sich wieder anzuziehen, wodurch vorbeigehende Personen sie im unbekleideten Zustand sehen hätten können.“
Bereits im September und im Dezember letzten Jahres stellte das Landesverwaltungsgericht in ähnlichen Fällen ebenfalls fest, dass solche polizeilichen Maßnahmen rechtswidrig sind.
Hat die Polizei Befehls- und Zwangsgewalt angewendet, können Betroffene Beschwerden dagegen einbringen. Solche Beschwerden nennt man Maßnahmenbeschwerden. Auch wenn bei Nacktuntersuchungen offensichtlich bisher kein wirklicher Lerneffekt bei den Beamt*innen eingetreten ist.
„Im internationalen Vergleich und im historischen Vergleich haben wir heute in Österreich eine gute Polizei, die sich an einem normalen Tag an die Regeln hält und die meisten Leute korrekt behandelt“, sagt Anwalt Lahner. Gerade in stressigen Situationen wie etwa am Rande von Demonstrationen oder nach langen Einsätzen „kommt es aber immer wieder zu Übergriffen“ durch Polizisten. Außerdem erleben „Menschen wegen ihres Migrationshintergrundes oder ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität die Polizei auch hier und heute oft als sehr diskriminierend. Da besteht noch viel Verbesserungsbedarf. Maßnahmenbeschwerden können hier schon etwas bewirken.“
Allerdings gibt es auch Hürden. So muss eine Maßnahmenbeschwerde innerhalb von sechs Wochen ab der Amtshandlung beim zuständigen Verwaltungsgericht eingebracht werden. Und im Fall einer Niederlage vor dem Verwaltungsgericht muss ein Kostenersatz in Höhe von rund 900 Euro pro verlorenem Beschwerdepunktan geleistet werden. Diese Summe kann für Einzelpersonen abschreckend sein.
Maßnahmenbeschwerden bieten Betroffenen die Gelegenheit, ihre Rechte und ihre Würde als Menschen zu verteidigen. Darüber hinaus erleichtert eine erfolgreiche Maßnahmenbeschwerde den Anspruch auf Schadensersatz für erlittene Schäden wie etwa Schmerzensgeld in einem weiteren Schritt. Sie können dazu beitragen, dass die Polizei aus Fehlern lernt und Menschen in Zukunft korrekt behandelt.
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