Was Krieg für die Klimakrise bedeutet
Nach einem ukrainischen Angriff am 31. Oktober brennen Kesselwagen voller Treibstoff an einem Eisenbahnknotenpunkt im von Russland kontrollierten Donezk. FOTO: STRINGER / REUTERS / picturedesk.com
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Magdalena Klemun
Kolumnistin

Was Krieg für die Klimakrise bedeutet

Ist es geschmacklos, sich angesichts anhaltender Kriege Sorgen um die Bedeutung von Klimapolitik zu machen? Nicht wirklich – es ist sogar dringend notwendig. 

Rauchwolken, Panzer, Raketen, brutale Kriegsverbrechen: Es sind verstörende Bilder, die uns seit dem 7. Oktober aus Israel erreichen. Sie dürfen und sollen für einige Zeit andere Themen wie die Klimakrise in den Hintergrund drängen. 

Aber nicht für allzu lange. Denn genau vor dem Hintergrund anhaltender kriegerischer Auseinandersetzungen schlägt die leisere Brutalität von Hitze und Extremwetterereignissen immer mehr zu. 

Ende September veröffentlichte das Journal Nature Communication die erste globale Schätzung der Kosten der Schäden von klimawandelbedingten Extremwetterereignissen seit dem Jahr 2000. ___STEADY_PAYWALL___ Alleine 2022 verursachten Klimaschäden rund 280 Milliarden US-Dollar an Kosten. Das entspricht etwa dem österreichischen Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2004. Noch wichtiger ist: Diese Kosten sind deutlich höher, als bisher erwartet. Zudem sind diese 280 Milliarden nur der Beginn, also die Kosten der Schäden, die mit einer vergleichsweise geringen Erderwärmung einhergehen.

Krieg führt zu zusätzlichen Treibhausgasemissionen

Was passiert, wenn zu steigenden Temperaturen neue Kriege hinzukommen? Das Beispiel Ukraine zeigt auf eindrucksvolle Weise, warum Klimapolitik auch in Kriegszeiten Priorität bleiben sollte. Kriegerische Konflikte erschweren nicht nur die Reduktion von Emissionen, sondern auch die Anpassung an neue klimatische Konditionen. Krieg führt zu zusätzlichen Treibhausgasemissionen, etwa durch von Bomben und Minen verursachte Großbrände.

Auch Emissionen beim Wiederaufbau von Infrastruktur, erhöhter Treibstoffverbrauch von Militärfahrzeugen und Lecks in der Erdgas-Versorgungskette, aus denen das Treibhausgas Methan austritt, tragen dazu bei. Ein europäisches Forscher*innen-Team schätzt diese Emissionen in den ersten sieben Monaten des Ukrainekriegs auf etwa 100 Megatonnen CO2. Das ist vergleichbar mit den jährlichen Treibhausgasemissionen Belgiens. Der größte Anteil stammt dabei von noch nicht emittierten, aber zu erwartbaren Treibhausgasen beim Wiederaufbau. 

Kriegsemissionen waren auf Grund militärischer Geheimhaltung und Datenmangel im Kriegschaos bisher schwer zu quantifizieren. Die im Zuge des Ukraine-Kriegs entstandenen Schätzungen zeigen: Das sind keine „Klima-Peanuts“, sondern Emissionsmassen in der Größenordnung ganzer Volkswirtschaften. 

50 Prozent des Stromnetzes in der Ukraine sind zerstört

Zudem sind flüchtende und verarmte Menschen dem Klimawandel stärker ausgesetzt. Auch hat die Zerstörung von Waldflächen und Flussgebieten im Sommer 2023 – gemeinsam mit steigenden Temperaturen – zu häufigeren Waldbränden in der Ukraine beigetragen. Lücken im ukrainischen Haushaltsbudjet, die Investitionen in erneuerbare Energien schwierig bis unmöglich machen, verschärfen die Lage.

Israel droht aufgrund der Ablenkungen durch den Krieg in der Klimapolitik an Tempo zu verlieren. Abgesehen vom Umstieg von Kohle auf Erdgas gibt es im dortigen Energiesystem nicht viel Transformation zu beobachten. Der Ausbau der Solarenergie wird durch die mangelnde Stromnetzinfrastruktur behindert, die öffentliche Verkehrsinfrastruktur ist schlecht, die nationale Energiepolitik scheint von der innovativen Startup-Szene im Bereich Cleantech frappierend uninspiriert. Obwohl Israel ein massives Potential für Photovoltaik hat, hatte das Land im Jahr 2021 den zweitkleinsten Anteil erneuerbarer Energien in der gesamten OECD.

Mitten im Raketenhagel scheint all dies natürlich zweitranig. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt, vielleicht sogar nach dem Klima. In der Ukraine, wo unfassbare 50 Prozent des Stromnetzes als zerstört gelten, könnte der Wiederaufbau zum Beispiel einer Modernisierung und besseren Anbindung an andere europäische Netze dienen. Wenn die Zukunft irgendwann beginnen darf. 

Autor*in: Magdalena Klemun

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