Wo die Klimakrise ertragbar bleibt
Die US-amerikanische Stadt Duluth in Minnesota wirbt damit, besonders klimaresistent zu sein – und zieht damit neue Bewohner*innen an. Bild: Christopher Boswell / Adobe Stock
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Magdalena Klemun
Kolumnistin

Wo die Klimakrise ertragbar bleibt

Wenn die Temperaturen und Meeresspiegel steigen, werden zur Zeit lebenswerte Regionen und Städte immer unattraktiver. In den USA wirbt die Stadt Duluth mit Klimaresilienz. Lohnt es sich zur Klimaanpassung umzuziehen?

„Mir ist es hier einfach zu heiß.“ Haben Sie diesen Satz schon mal gehört, wenn Ihnen jemand von den Gründen für einen geplanten Umzug erzählt hat? Wahrscheinlich nicht. Meist ist es ein neuer Job, Nähe zur Familie, die Anziehungskraft von vielfältigen Metropolen oder wilder Natur, die Menschen motiviert, sich freiwillig anderswo ein neues zu Hause aufzubauen. (Zu Klimaflüchtlingen, also unfreiwilliger Migration, an dieser Stelle bald mehr.)

Der Klimawandel allerdings stellt mobile Menschen zunehmend vor die Frage, ob sich Hitzewellen und extremes Wetter durch einen Umzug vermeiden oder zumindest abmildern ließen. ___STEADY_PAYWALL___ Vielleicht drängt die Frage auf kurze Sicht noch nicht, weil Sätze wie „Ein paar verschwitzte Nächte pro Jahr geht doch, wie früher im Urlaub eben“ schnell formuliert sind, mantraartig wiederholt werden und obendrein billiger sind als ein Umzug. Auf lange Sicht aber lässt sich die bohrende Frage, wo es sich in der neuen, heißen Welt am besten leben ließe, nicht so einfach verdrängen. Würde sich ein Umzug lohnen? Wenn ja, wohin?

Umziehen ist teuer

Aus ökonomischer Sicht steht fest: Egal ob mit „mehr Klimawandel“ leben (und mittels Klimaanlage Komfort bewahren) oder des Klimawandels wegen umziehen — beides verursacht Kosten und beeinflusst damit den individuellen Wohlstand.

Realistisch sind vom Klimawandel motivierte Umzüge (gemeint sind auch hier freiwille Umzüge, nicht Personen, die auf Grund des Klimawandels flüchten müssen) am ehesten dort, wo Menschen seit eh und je vergleichsweise mobil sind, etwa in den USA.

Und: Umgezogen wird vernünftigerweise nur, wenn es genügend Platz an jenen wenigen Orten gibt, die durch den Klimawandel attraktiver werden. Den gibt es wahrscheinlich nicht. Eine auf die USA konzentrierte Studie des Ökonomen David Albouy zeigte etwa 2016, dass sich die durch den Klimawandel in den USA verursachten Wohlstandsverluste bis zum Jahr 2100 durch Umzüge nur schwach verringern lassen. Der Grund: Menschen wären zwar willig, aufgrund von Platzmangel aber nicht fähig, umzuziehen

Wo lässt es sich 2100 gut leben?

Natürlich basiert das Ergebnis so wie viele Zukunftsszenarien auf Annahmen. Umziehen ist auch deshalb keine wirkliche Lösung für die USA, weil der erwartete verfügbare Platz in neuen Superstar-Städten auf derzeitigen Technologien und Flächenkonsumationen basiert.

Da kann sich bis 2100 einiges verändern: von Innovationen im Hochbau, platzsparender Verkehrsinfrastruktur und Landwirtschaft, bis zu veränderten Präferenzen bei der Wohnungsgröße. Kleinere Wohnungen bedeuten geringere Kosten (auch für die Klimaanlage) und würden insgesamt mehr Menschen den Umzug in kühlere Regionen ermöglichen.

Aber wo sind sie eigentlich, diese Superstar-Regionen, wo es sich auch 2050 oder gar 2100 ungestört leben lässt? Im Vorteil sind Regionen, die von wenigen Klimarisiken gleichzeitig betroffen sind, wie etwa Inlandsgebiete (keine überfluteten Küsten) ohne unmittelbare Nähe zu Gebirgen (reduziertes Erdrutschrisiko), trockenen Wäldern (keine Waldbrände) oder Permafrost (kein Erosionsrisiko) mit guter Wasserversorgung und Nähe zu Seen (reduzierter Effekt extremer Hitze) und geringem Sturm-Risiko. Diese Beschreibung trifft etwa auf große Teile Nord- und Mitteleuropas sowie Kanadas zu.

Besser ein langer, grauer Winter als Waldbrände

In den USA vermarktet sich indes eine kleine Industriestadt in Minnesota als „Climate-Proof Duluth“ (zu Deutsch: klimaresistentes Duluth), weil es bereits seit einigen Jahren Zuzug aus anderen, ehemals attraktiveren US-Bundesstaaten wie Kalifornien verzeichnet. Viele Neulinge kommen wegen dem Klima. Ein langer, grauer Winter und kulturell einseitige Kleinstadtatmosphäre sind neuerdings attraktiver als Waldbrände und hohe Immobilienpreise an der Westküste.

Für viele Regionen und Städte ergibt sich damit eine neue Herausforderung: Sie müssen zuerst verstehen und dann effektiv kommunizieren, warum sie trotz Klimawandel attraktiv bleiben oder sogar attraktiver werden. Oder andersrum: Wenn die Politik (weiterhin) zu wenig tut und auf die Initiative Einzelner setzt, welche Investitionen sind dann etwa bei der durchschnittlichen Immobilie notwendig, um weiterhin Komfort zu ermöglichen? In anderen Worten: Wie reich muss man sein, um sich auch 2035 noch ein gutes Leben leisten zu können?

Autor*in: Magdalena Klemun

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