Hallo,
es ist Freitagmorgen und du liest das tag eins briefing. Jede Woche bieten wir dir hier Perspektiven, Einschätzungen und Analysen zu Politik & Medien – so wie in einer guten Diskussion unter Freund*innen.
Na, bist du noch auf Twitter (X!)? tag eins schon – obwohl es viele Gründe gäbe sich abzumelden. Und das schon bevor Ende der letzten Woche viele bekannte österreichische Journalist*innen und Medienmenschen die Plattform gemeinsam verließen, darunter Armin Wolf, Florian Klenk und Corinna Milborn. Ihre Gründe – man will Elon Musks Plattform, die rechten bis rechtsextremen Content in einem mehr oder weniger gesetzlosen Vakuum befeuert, nicht mehr unterstützen – sind absolut berechtigt. Davor verkündete schon der britische Guardian seinen Abgang.
Abgesehen davon haben viele Personen, die den Diskurs auf Twitter im deutschsprachigen Raum prägten, dort immer wieder lesenswerte Einblicke gaben oder schlicht nette Witze gerissen haben, Twitter schon in den letzten Jahren verlassen. So richtig gemütlich war es für Frauen und queere Personen dort sowieso nie, seit Elon Musks Übernahme geht es in Richtung Unbenutzbarkeit.
Trotzdem haben wir uns entschieden, vorerst noch auf Twitter (X) zu bleiben. Weil es immer noch wichtig ist, dass sich dort auch Medien wie wir finden, weil international trotzdem immer noch für uns wichtige Inhalte dort zu lesen sind, weil wir dort recherchieren und auch – soviel Transparenz muss sein – weil wir es uns im Moment als kleines und junges Medium nicht leisten können, auf unsere Reichweite zu verzichten.
Parallel sind wir aber auch schon seit über einem Jahr auf Bluesky und freuen uns, wenn du uns dort folgst! Vielleicht geht es ja auch für uns bald ohne Twitter (X).
Aber erstmal geht es zu den Themen dieser Woche: Markus Sulzbacher klärt über die Rolle von nordkoreanischen Agenten in Wien auf, Dominik Ritter-Wurnig gibt Einblicke in den Stand der Regierungsverhandlungen zum Thema Medienpolitik und ich habe einen Buchtipp für dich. Last but not least: Die sensible Phase der Regierungsbildung ist eine Hochzeit für Interessensvertreter*innen und Lobbyist*innen. Wir wollten genau wissen, wer die Budgetverhandler*innen von ÖVP, SPÖ und ÖVP beraten.
von Markus Sulzbacher 📧
Der Ukrainekrieg ist in eine neue Phase eingetreten: Erstmals nehmen reguläre ausländische Streitkräfte direkt teil. Seit einigen Wochen kämpfen tausende nordkoreanische Soldaten (kein Gendersternchen notwendig) an der Seite Russlands.
Für die Armee sind auch nordkoreanische Agenten tätig, die in Österreich aktiv sind. Und das sind nicht wenige. Laut dem Geheimdienstexperten Thomas Riegler unterhält Nordkorea seit Jahrzehnten eine „starke geheimdienstliche Präsenz“ in Österreich, wie er im Sommer in der Presse erklärte.
Aktuell ist die zentrale Aufgabe der nordkoreanischen Agenten, Bauteile und Wissen für die (nukleare) Aufrüstung des mit zahlreichen Sanktionen belegten nordkoreanischen Regimes zu beschaffen. Auch werden im aktuellen Verfassungsschutzbericht 2023 die Bemühungen Nordkoreas hervorgehoben, in Österreich an Bauteile von Drohnen zu kommen, einem Bereich, in dem österreichische Firmen teilweise führend sind.
Mit Hilfe eines Netzwerkes „von Zwischenhändlern in China" versucht Nordkorea, die „Bestimmungen der österreichischen Exportkontrolle“ zu umgehen, ist in dem Bericht zu lesen.
Nordkorea selbst hat in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder die Wichtigkeit von Drohnen betont. Vergangene Woche beaufsichtigte Machthaber Kim Jong-un einen Drohnentest. Aktuell versucht Nordkorea mit der Massenproduktion von eigenen Kamikazedrohnen zu starten. Damit sind unbemannte Fluggeräte gemeint, die mit Sprengladungen versehen gegen feindliche Ziele gesteuert werden. Solche Waffen werden unter anderem im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine von beiden Seiten eingesetzt.
Schon in der Vergangenheit fielen nordkoreanische Agenten in Österreich auf. Dabei ging es oft um die Beschaffung von Technologie und Bauteilen für das Atombombenprogramm. Schon 2002 kam der Verfassungsschutz zum Schluss, dass Österreich von Nordkorea „als Beschaffungs- und Transitland für Proliferationsaktivitäten genutzt wird“.
Dabei hilft Nordkorea, dass sie in Österreich weitgehend ungestört operieren können, Wien der Sitz vieler internationaler Organisationen ist und es zahlreiche Hochtechnologieunternehmen gibt.
Die Autorin Naomi Klein hat ein Problem: Und es ist „zu zu lächerlich, um ernst genommen zu werden“ und „zu ernst, um lächerlich zu sein“.
Denn die linke und antikapitalistische Autorin Naomi Klein, international bekannt für ihren 1999 erschienenen Beststeller No Logo, hat eine Doppelgängerin mit der sie sowohl online als auch offline seit Jahren immer wieder verwechselt wird und deren Äußerungen ihr zugeschrieben werden: Die ehemals liberale Feministin Naomi Wolf, die mit Mythos Schönheit ebenfalls ein Standardwerk der 1990er-Jahre schrieb. Beide sind jüdisch, nordamerikanischer Herkunft, beide schreiben, beide heißen Naomi, beide haben braune Haare.
Doch Naomi Wolf driftet im Laufe der 2010er-Jahre immer mehr ab und fällt mit merkwürdigen Äußerungen auf, eine Entwicklung, die sich in der Covid-19-Pandemie verstärkt hat. Wolf wird endgültig zur rechtsradikalen Verschwörungstheoretikerin und Impfgegnerin – und in dieser Szene ein Star. Für Naomi Klein werden die Verwechslungen mit ihrer Doppelgängerin, die anfangs eher wie ein Twitter-Witz erscheinen, immer belastender.
Um ihre Doppelgängerin zu verstehen, hört sie stundenlang Steve Bannons Podcast, wo Wolf regelmäßig auftritt. Sie taucht ab in die Rabbitholes des rechtsextremen Internets mit seinen kruden Mischungen aus esoterischen Mum-Influencerinnen, christlichen Fundamentalist*innen, Trump-Verehrer*innen und veganen Köch*innen. In ihrem Buch Doppelgänger analysiert sie nun diese Spiegelwelten, wie sie sie nennt. (A Trip into the Mirror World lautet auch der Untertitel des Originals). Dabei bleibt sie aber nicht bei ihrem eigenen Unbehagen mit ihrer Doppelgängerin stehen.
Vielmehr beleuchtet sie mit Hilfe des Motivs des Doppelgängers – dessen Symbolik in Film, Literatur und Psychoanalyse sie ausführlich beschreibt – eine von rechtem Autoritarismus und Kapitalismus bedrohte Gegenwart. Klein analysiert genau, wie hilflos Linke Verschwörungsmythen („zu zu lächerlich, um ernst genommen zu werden“, „zu ernst, um lächerlich zu sein“) und Rhetoriken der Rechten gegenüberstehen, die teils linke Schlagworte übernommen zu haben scheinen, aber in ihr Gegenteil verkehren. Die Perfide an diesen Verschwörungsmythen, so Klein, sei, dass sie eben „Verrücktes mit wahrem Kern“ berühren, etwa der Angst vor „Big Tech“ und „Big Data“ einen Ausdruck gäben. Aber Fakten völlig verdrehen und mit falschen Schlüssen und Kombinationen präsentieren. Erwiesene Verschwörungen (wie etwa der Mord an indigenen Kindern in Kanada des 19. und 20. Jahrhunderts) werden dagegen kaum beachtet.
Dabei arbeitet Klein die Pandemie auf, schreibt über das Gefühl, wenn Personen, die man schätzt, in Verschwörungsmythen und nach Rechts abdriften. Halb ernstgemeint, halb humorvoll beschreibt sie die Zutaten für den Schwenk nach Rechts: „Narzissmus + Social-Media-Sucht + Midlife-Crisis + öffentliche Demütigung“. Das holt manchmal etwas weit aus – von der Geschichte der Autismus-Diagnose bis ins Rote Wien – ist aber sehr erhellend und trotz seiner Dichte spannend zu lesen. Gerade auch nach dem erneuten Sieg Donald Trumps bei der US-Präsidentschaftswahl.
Neben sieben Clustern und 33 Untergruppen wird die neue Regierung auch in der Sondergruppe Budget unter Einbeziehung von externen Expert*innen verhandelt. „Die Budgetgruppe tagt seit mehreren Wochen und es gibt hier alle Expertinnen und Experten, die notwendig sind, und die auch eingebunden sind in diesen Fragen“, sagte Bundeskanzler Karl Nehammer bei der Ankündigung der Regierungsverhandlungen am Montag.
Wer dort verhandelt und welche externen Expert*innen gefragt wurden, war bisher geheim. Für tag eins habe ich versucht, Licht ins Dunkel zu bringen und bei allen österreichischen Wirtschaftsforschungsinstituten und Think Tanks angefragt. Teilweise wurde mir erst nach mehrmaligen Rückfragen und sehr zögerlich bestätigt, dass es Gespräche gab.
Warum ist das relevant? Die sensible Phase der Regierungsbildung ist eine Hochzeit für Interessensvertreter*innen und Lobbyist*innen – jetzt geht es darum, die eigene Sichtweise möglichst prominent in Stellung zu bringen, jetzt ist vieles in Bewegung. Wer mit am Tisch sitzt und welche Expert*innen gehört werden, ist von großem öffentlichen Interesse. Lobbyismus ist natürlich nicht verboten, aber weniger Geheimniskrämerei wäre gut.
Im Kern der sogenannten Budgetgruppe sind permanente Vertreter*innen und Mitarbeiter*innen der Partei. Ziel ist es, ein gemeinsames Gesamtbild über die budgetäre Lage zu gewinnen. Für die NEOS sind dort Klubdirektor Armin Hübner, Referentin Julia Kloess sowie der politische Direktor Lukas Sustala. SPÖ und ÖVP wollten auf Anfrage nicht sagen, wer für sie in der Budgetgruppe ist. Dazu kommen Expert*innen aus dem Finanzministerium im Auftrag des Finanzministers, die Unterlagen wie den Vollzugsbericht für die Verhandlungen aufbereiten.
Erwartbar als externe Expert*innen beigezogen wurden der IHS-Direktor Holger Bonin, verschiedene Expert*innen des WIFO sowie das Büro des Fiskalrates in Form von Bernhard Grossmann. Alle drei Institution sind (teil-)staatlich finanziert, Konjunkturprognosen und wirtschaftspolitische Lösungen gehören zur Kernexpertise.
Aber wer wurde noch gehört? Die NEOS haben Monika Köppl-Turyna vom unternehmensnahen Institut ECO Austria hinzugezogen. Sie soll sich beratend als Ökonomin zu Strukturreformen, Budgetkonsolidierung und ausgabenseitigen Effizienzsteigerungen einbringen.
Auf der anderen Seite des politischen Spektrums hat Ökonom Oliver Picek vom Arbeitnehmer-nahen Momentum Institut zu einem „vertraulichen Austausch“ eingeladen.
Auch der Chefökonom der Arbeiterkammer Wien, Markus Marterbauer, steht den politischen Verhandler*innen als Experte für Budgetfragen zur Verfügung.
Nicht angefragt und eingeladen wurde dagegen der unternehmensnahe Thinktank Agenda Austria, wie Sprecher Christoph Beranek bestätigte.
Bezahlen müssen die Politiker*innen in der Regel für diese Beratungsleistung übrigens nicht. Oder wie es die Arbeiterkammer in einer Stellungnahme formuliert: „Die Arbeiterkammer stellt den Parteien für ihre Expertise keine Kosten in Rechnung, als Interessenvertretung ist es uns ein Anliegen, dass eine künftige Regierung die Interessen der Arbeitnehmer:innen vertritt.“
Das verdeutlicht: Selbst bei vermeintlich objektiven Budgetzahlen färbt die politische Einstellung den Blick. Wer die Politiker*innen in dieser heiklen Phase berät, sollte transparent offen gelegt werden.
von Dominik Ritter-Wurnig 📧
Der Umgang mit Inseraten in österreichischen Medien sind für die NEOS und die SPÖ ein wichtiges Thema – in ÖVP-Wahlprogramm kommt das Wort „Inserate“ hingegen gar nicht erst vor.
Diese und andere Gräben gilt es in den aktuellen Regierungsverhandlungen in punkto Medienpolitik zu überwinden. Dominik Ritter-Wurnig hat die fünf entscheidendsten medienpolitischen Themen und die Positionen der Parteien dazu recherchiert.
Den vollständigen Artikel kannst du hier lesen:
(Diesen Text gibt es exklusiv für tag-eins-Mitglieder.)
Schönes Wochenende (vielleicht mit Social-Media-Pause?) und bis nächsten Freitag,
Anna
von tag eins
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