Helden von gestern
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Niedrige Zinsen, leichtere Finanzierung und Wirtschaftswachstum sorgten in der Vergangenheit in Österreich für einen Bauboom. Dieser ist nun vorbei. Aufgrund von Teuerung, höheren Zinsen und strengeren Kreditvergabe-Richtlinien schrumpft die heimische Bauwirtschaft. 2021 stieg das Bauvolumen (also alle Leistungen im Neu- und Umbau) im Vergleich zum Vorjahr noch um 5,9 Prozent an, vergangenes Jahr stagnierte es. Für dieses Jahr rechnet das Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo mit einem Minus in allen Bereichen außer dem Tiefbau.
Die Flaute in der Bau- und Immobilienbranche hat bereits Konsequenzen: Im zweiten Quartal 2023 war der Auftragsbestand in der heimischen Baubranche laut KMU Forschung Austria um 13,1 Prozent geringer als im Vorjahr. ___STEADY_PAYWALL___ Die Zahl der Insolvenzen im Baugewerbe stieg laut der jüngsten Auswertung des Kreditschutzverbandes 1870 in den ersten drei Quartalen um 13 Prozent. Dieser Trend soll sich bis Jahresende verstärken.
Im ersten Halbjahr 2023 wurden in Österreich um 21,6 Prozent weniger Immobilien verkauft als im Vorjahreszeitraum. Besonders stark sank die Nachfrage in Wien und bei Reihenhäusern und Doppelhaushälften. Diesen Einbruch der Nachfrage bestätigte auch das Wifo in einer Auswertung von Immobilienplattformen. Das Angebot für Kaufimmobilien ist vorhanden, nur fehlen die Käufer*innen, wie auch aus einer Analyse der Oesterreichischen Nationalbank hervorgeht. Das Wirtschaftsmagazin „Bloomberg“ bezeichnete Wien im Frühling sogar als Epizentrum der Immobilienkrise im Vergleich mit anderen europäischen Hauptstädten. Denn die im Vergleich zur Eurozone überdurchschnittliche Inflation beeinflusst den Wohnungsmarkt stärker als in anderen Metropolen.
All diese Daten zeigen: Der Immobilienmarkt ist kaputt. Der Traum von Eigenheim ist in Österreich für viele Menschen nicht realisierbar, Immobilienentwickler*innen bauen ihre Wohnungen und Häuser am Markt vorbei. Wie kann diese Schieflage gelöst werden?
Zum einen gibt es beim Thema Finanzierung Hoffnung: Die Baubranche und die Banken lobbyieren seit Monaten für die Lockerung der Kreditvergabe-Richtlinien, damit der Immobilienmarkt wieder angekurbelt wird. Die Finanzmarktaufsicht hält aber dagegen: in der Vergangenheit seien viele Kredite vergeben worden, die sich die Kund*innen nicht leisten konnten. Dass die Mehrheit der Kreditnehmer*innen sich für einen variablen Zinssatz entschieden haben, verstärkt nun angesichts der europäischen Zinspolitik die finanziellen Probleme vieler Haushalte.
Die Käufer*innen hoffen indes, dass die Preise angesichts des Angebot-Nachfrage-Verhältnisses bald spürbar sinken werden. Bisher ist das nicht der Fall, für die ersten sieben Monate des Jahres sah die Plattform „Immoscout24“ Stagnation und leicht sinkende Preise vor allem in touristischen Regionen. Vor allem große Immobilienfirmen haben einen langen Atem und lassen Objekte lieber leerstehen, als den Preis zu reduzieren. Wer auf eine günstigere Kaufgelegenheit hofft, muss wohl noch etwas warten, bis die Anbieter*innen solche Schritte setzen.
Diese Schieflage am Immobilien- und Wohnungsmarkt ist aber auch eine Chance, über eine Transformation nachzudenken: Wie wollen wir in Zukunft wohnen? Ist ein Eigenheim noch erstrebenswert, oder ist Mieten die bessere Lösung – und wie können die Preise hier fair gestaltet werden? Wäre die Revitalisierung von Bestandsimmobilien nicht nur klimaschonender, sondern auch kosteneffizienter? Und wie viel Raum brauchen wir tatsächlich, um sorgenfrei zu wohnen?
Das sind nicht nur ökonomische Fragen, sondern auch gesellschaftliche. Die Bau- und Immobilienbranche sollte hier Verantwortung übernehmen, denn sie kann Angebote schaffen, die leistbar, nachhaltig und innovativ sind. Dazu braucht es aber auch politischen Druck, um diese Veränderungen einzufordern. In Deutschland hat die Regierung bei einem Baugipfel Ende September Maßnahmen erarbeitet, um sowohl Familien beim Eigentum als auch Baufirmen zu entlasten. Die Pläne – etwa das Aussetzen von Energiestandards – sorgen für Kritik, aber immerhin ist das Thema auf der politischen Agenda. Die österreichische Regierung beschäftigt sich damit noch nicht genug, abseits der Diskussion um die Kreditvergabe-Richtlinien. Es ist Zeit, dass sich der Immobilienmarkt neu erfindet.
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