Die FPÖ ist in Österreich so erfolgreich, weil sie rechts ist
Traditioneller Wahlkampfabschluss der FPÖ am Viktor-Adler-Markt in Wien, hier im Oktober 2017. Bild: Georges Schneider / picturedesk.com 
Saskia Hödl's Picture
Saskia Hödl
Kolumnistin

Die FPÖ ist in Österreich so erfolgreich, weil sie rechts ist

Und wieder zeigen sich Journalist*innen und Medienmenschen in Österreich überrascht über den Aufstieg der FPÖ, die nach aktuellen Umfrage-Ergebnissen wohl in der nächsten Regierung sitzen wird. Was man dagegen tun könnte, statt überrascht zu sein.

Die FPÖ scheint nur noch eine Nationalratswahl davon entfernt, dieses Land wieder zu regieren. Sofern man den aktuellen Umfragen glauben möchte. Schon seit Wochen regnet es deshalb politische Analysen aus Österreichs Medienhäusern: Wie konnte es nur so weit kommen? Was hat der FPÖ-Parteichef Herbert Kickl, was andere nicht haben? Was sind die Tricks und die Widersprüche der Partei? 

Der Aufstieg von Herbert Kickl heute erinnert an den Aufstieg von Jörg Haider in den Neunzigern und damit auch daran, wie Journalist*innen sich rechtfertigen mussten, ob sie nicht Haiders Steigbügelhalter*innen gewesen seien. Es hieß damals, man sei journalistisch falsch mit ihm umgegangen. Habe zu oft über ihn berichtet, ihn zu oft auf die Titelseiten gehoben. Übrigens lag Haider 1999 mit seinem historisch besten Nationalratswahlergebnis für die FPÖ bei knapp 27 Prozent – der FPÖ von Kickl werden in Umfragen gerade 29 oder gar 32 Prozent prophezeit. Das wäre fast ein Drittel der Wahlberechtigten. 

Es stimmt, dass die österreichischen Medien der FPÖ unter Kickl beim Aufstieg behilflich waren. Doch man überschätzt ihre Wirkmacht, wenn man ihnen alleine die Schuld dafür gibt. Denn Österreich als Land ist historisch rechts. Das hat sich seit 1945 nicht geändert. Das nationalsozialistische Täterland war so damit beschäftigt, sich nach außen als Opfer zu stilisieren, dass hier noch weniger Aufarbeitung stattgefunden hat als in Deutschland. Das Ergebnis ist eine immer noch tief von Antisemitismus und Rassismus durchzogene Gesellschaft. 

Daran liegt es, dass eine Partei wie die FPÖ durch rassistische und antisemitische Codes so wunderbar gedeihen kann. Die FPÖ spricht an, was schon da ist: Hass, Wut, Angst, Verachtung und Neid. Die klassischen Medien haben damit auch etwas zu tun, aber heute weniger denn je. Dass die rassistische Grundhaltung der Österreicher*innen übersehen oder kleingeredet wird, ist der Hauptgrund für den Erfolg der FPÖ.  

Viel Hass und kein Geld

Zur Hilfe kommt der FPÖ auch der Kapitalismus. Denn das Unvermögen der türkis-grünen Regierung, die Inflation einerseits und die generelle finanzielle Ungerechtigkeit in Österreich andererseits abzufedern, ist Öl im Feuer der Rechtsradikalen. Natürlich ist der Spagat der FPÖ zwischen dem „kleinen Mann“ und den Wohlhabenden vollkommen unglaubwürdig. Doch es ging noch nie um Glaubwürdigkeit, sondern darum, gemeinsam gegen „die Anderen“ zu sein. Deshalb kann der FPÖ auch kaum ein Skandal etwas anhaben.

Die Partei weiß die Unzufriedenheit ihrer Wählerschaft aufzugreifen und zu verstärken. Laut einer profil-Umfrage beurteilen 16 Prozent der befragten FPÖ-Wähler*innen ihre eigene wirtschaftliche Situation als „sehr schlecht“. Im Gesamtergebnis der Befragten sind es „nur“ zehn Prozent. Was noch viel erstaunlicher ist: Die wirtschaftliche Lage in Österreich beurteilen sogar 30 Prozent der FPÖ-Wähler*innen als „sehr schlecht“, im Gesamtergebnis sind es „nur“ 15 Prozent. Das verwundert in einem reichen Land wie Österreich, aber vor allem ist es Parteiprogramm: „Uns“ geht es schlecht wegen „anderen“.

Soziale und finanzielle Gerechtigkeit könnten also gegen den Aufstieg von Rechtsradikalen helfen. Insgesamt braucht es aber auch mehr Mittel für die Prävention und Bekämpfung von Rechtsextremismus in allen gesellschaftlichen Schichten. Es braucht frühere Aufklärung in Schulen über Rassismus und Antisemitismus, nicht nur im historischen Bezug, sondern auch im aktuellen. Denn wie der Antisemitismusbericht heuer darlegte, denkt mehr als ein Drittel der Menschen hierzulande, Juden und Jüdinnen würden die internationale Geschäftswelt beherrschen. Der Erfolg der rechten Partei liegt nicht an der rechten Partei, sondern an den rechten Wähler*innen.

Woran die Medien dennoch Schuld sind

Ein Fehler, den man dem Großteil der österreichischen Redaktionen dennoch vorwerfen kann und muss, ist nicht die Häufigkeit der Berichterstattung über die FPÖ, sondern die Art und Weise. Denn um klar und deutlich zu benennen, welcher rassistischer und antisemitischer Codes sich die FPÖ bedient, dazu fehlt den Redaktionen in weiten Teilen das Wissen und der Wille. Einige scheinen mehr Angst davor zu haben, als „woke“ bezeichnet zu werden, als davor, dass die FPÖ den Kanzler stellen könnte. 

Warum das so ist, dafür gibt es eine recht einfache Erklärung: Österreichische Redaktionen sind vor allem christlich, weiß und ohne Migrationshintergrund. Der Großteil weiß gar nicht, wie man Rassismus und Antisemitismus benennt, wenn er auf anderen Wirkungsebenen stattfindet als der individuellen – also wenn es über eine Beschimpfung von einem Individuum zum anderen hinausgeht. Viele Journalist*innen würden Rassismus nicht mal erkennen, wenn er ihnen in den Hintern beißt. Deshalb reden sie in Artikeln über die FPÖ oft um den heißen Brei herum, dass einem ganz schwindelig wird. 

Da wird etwa in ansonsten sehr lesenswerten Artikeln im Standard von der „recht jungen Idee der Elitenrhetorik“ der FPÖ gesprochen, ohne auch nur in einem Satz auf den historisch deutlich antisemitischen Bezug zu verweisen. Da heißt es, dass „Nativismus, also Einsatz für Inländer, gepaart mit Autoritarismus und Populismus“ die Kernbausteine der FPÖ seien.

Nativismus? Es geht der FPÖ doch nicht um eine Staatsbürgerschaft. Es erstaunt mich immer wieder, welch absurden Verrenkungen man in Österreich anstellt, um Antisemitismus und Rassismus nicht beim Namen nennen zu müssen. Das ist, als würde man Frauenfeindlichkeit als Menschenfeindlichkeit bezeichnen. Oder gar als „Einsatz für Männer“.

Sicher im Bobo-Sprengel

Wenn die FPÖ bald wieder dieses Land regiert, wird sich für viele weiße, christliche, heterosexuelle cis Personen mit österreichischer Staatsbürgerschaft erstmal gar nichts ändern – bis auf die besorgten Fragen aus dem Ausland. Vielleicht haben sie sogar etwas davon, sollte eine blaue Regierung tatsächlich gegen die Teuerung vorgehen. 

Nach der Wahl werden linke österreichische Journalist*innen wieder die Ergebnisse ihrer Wahlsprengel auf Twitter teilen. Eine Selbstbestätigung, dass sie auf der richtigen Seite stehen – und vor allem, dass sie genug Geld haben, in der richtigen Gegend zu wohnen. Ein Hohn für alle, die von der rechten Politik bedroht sind, egal, wo sie wohnen. 

Doch die meisten Österreicher*innen werden erstmal keinen Grund haben, in Panik zu verfallen. Man hat sich inzwischen ja auch an so vieles gewöhnt. An die rechten Sprüche, die Gier, die Menschenfeindlichkeit. Einen kurzen Aufschrei gibt es noch, nach jedem rechtsradikalen Sager und jeder neuen moralischen Grenzverletzung. Auch das lediglich zur Selbstversicherung, auf der richtigen Seite zu stehen. Um diese Zustände tatsächlich ändern zu wollen – selbst wenn schon alle Zeichen auf Faschismus stehen –, dafür fehlt den Österreicher*innen heute der Wille und vielleicht auch die Fantasie. 

Autor*in: Saskia Hödl

Diese Recherche haben die Mitglieder von tag eins ermöglicht. Werde Mitglied, wenn du unabhängigen Journalismus ermöglichen willst.

tag eins bist du.

Nur mit deiner Unterstützung, deinem regelmäßigen Mitgliedsbeitrag, können wir unabhängig recherchieren und sorgfältigen Journalismus machen.

30 Tage kostenlos testen

Das haben wir auch noch für dich: