Zweifach unsichtbar: Zwangssterilisation bei Frauen mit Behinderungen
Die derzeitigen Gewaltschutz-Pakete schützen Frauen mit Behinderung zu wenig. Ihre Belange kommen kaum vor. Sichtbar wird das beim Thema Zwangssterilisation.
„Dieses Virus lässt den Penis schrumpfen“, „Oberste Priorität – Straftätige Syrer sofort abschieben!“, „Armin Wolf twittert wieder“, „Das Jesuskind ist jetzt auch für die Hamas“ – Exxpress bleibt auch im dritten Jahr seiner Gründung ein Krawallmedium, das nochmals einen Stock tiefer als der Boulevard agiert. Nicht-Ereignisse werden zu Stories aufgeblasen und mit billigem Clickbait Nutzer*innen abgezogen. Dazwischen finden sich reißerische Geschichten vom deutschen Partnerportal Nius und banale APA-Meldungen.
Aber was ist Exxpress eigentlich und was wäre es gerne? Zur Gründung 2021 sagte die damalige Herausgeberin und jetzige Chefredakteurin Eva Schütz: „Qualität hat Vorrang.“ Mit „gehobenem Boulevard“ wollte man innerhalb von drei bis fünf Jahren eines der fünf größten Onlinemedien Österreichs werden. Gekommen ist es anders. Nach der Trennung von Chefredakteur Richard Schmitt beteuerte Schütz im März 2024 im Standard abermals: Mit Krawall habe sie gar nichts zu tun, Exxpress wolle sie verbreitern und vergrößern und wieder ihren Plan von einst verfolgen: bürgerlichen Boulevard. Keines dieser Versprechen wurde eingehalten.
Was Exxpress heute ist und wohin es sich entwickelt, versteht man vielleicht am besten, wenn man das Netzwerk rund um das Krawallmedium aus dem Palais Auersperg in Wien beleuchtet.
Exxpress, das ist in erster Linie Eva Schütz. ___STEADY_PAYWALL___ Ursprünglich war die ehemalige Leistungssportlerin eher im Hintergrund als Geldgeberin und Geschäftsführerin tätig, mittlerweile steht sie (fast) täglich vor der Kamera und fungiert als Chefredakteurin. Die 1973 geborene Juristin dockte unter Kanzler Kurz im Finanzministerium an, wo sie von 2018 bis 2019 die Stellvertreterin eines gewissen Thomas Schmid war.
Neben Exxpress hat Schütz sich ein kleines, aber feines Firmennetzwerk aufgebaut. Sie besitzt laut Firmenbuch 20 Prozent des Edel-Wirtshaus Pichlmaiers zum Herkner in Wien-Hernals und 33,3 Prozent der Möbelboutique Smart Living in der Wiener Burggasse. Außerdem ist sie Aufsichtsrätin der ÖBB-Tochter Rail Cargo Austria. Weniger glamourös ist ihr Zweitjob als Geschäftsführerin der Veranstaltungshalle Multiversum in Schwechat, wo Veranstaltungen wie der Musclecontest Austria stattfinden.
Das Multiversum hat einst ihr Mann Alexander Schütz der Stadt Schwechat abgekauft. Überhaupt hat Eva Schütz ihr Vermögen ihrem Mann, Alexander Schütz, zu verdanken. Laut Medienberichten leben sie mittlerweile getrennt. „Wir sind 20 Jahre verheiratet, da kann man das nicht mehr so genau unterscheiden“, sagte Eva Schütz zum Standard auf die Frage, ob sie mit dem Geld ihres Mannes oder ihrem eigenen investiere. Reich wurde Alexander Schütz mit der von ihm 1991 gegründeten Vermögensverwaltung C-Quadrat, die Vermögen in Höhe von neun Milliarden Euro verwaltet. Bekannt wurde Alexander Schütz aber auch, weil er der Kurz-ÖVP 100.000 Euro spendete.
Nach dem Ende der politischen Karriere von Sebastian Kurz, gründeten Alexander Schütz und Kurz gemeinsam die Investmentfirma AS²K Beteiligungs GmbH. Im Oktober 2022 stieg die AS²K beim Pflege-Start-up HeldYn ein. Bei Exxpress darf die HeldYn-Gründerin im Interview mit Eva Schütz kurz danach über „ihr spannendes Unternehmen“ erzählen. Ein Hinweis auf die Beteiligung ihres Ehemanns und dem damit verbundenen Interessenkonflikt fehlt.
Mit der AS²K teilt aber Exxpress nicht nur das Interesse an der Pflege, sondern auch die Geschäftsführer*innen. Seit Mitte 2022 ist Vera Regensburger Geschäftsführerin von AS²K und im Oktober 2024 löste sie laut Firmenbuch auch Schütz als Geschäftsführerin der web eXXpress Medien Holding GmbH ab. Genau wie Schütz gehört auch Regensburger zur sogenannten „Familie“ rund um den Kanzler außer Dienst. Die 1991 geborene Regensburger leitet laut ihrer LinkedIn-Seite zwischen 2017 und 2019 den Bereich Politik & Strategie in der ÖVP und war später stellvertretende Kabinettschefin von Bundeskanzler Nehammer.
Nach wie vor einen guten Draht hat Eva Schütz zu Ex-Kanzler Kurz, aber auch zur ehemaligen Ministerin und Nationalratspräsidentin Elisabeth Köstinger wie ein Selfie beim Societywirt Toni Mörwald aus dem Oktober zeigt.
„Es wächst zusammen, was zusammengehört“, schrieb der österreichische Journalist Harald Fidler im Mai im Standard als überraschend bekannt wurde, dass die deutsche rechtspopulistische Onlineplattform Nius bei Exxpress einsteigt. Ex-Bild-Chefredakteur Julian Reichelt hatte nach seinem Rauswurf bei Springer wegen Machtmissbrauchs und Ausnutzung von Machtverhältnissen den „Gnadenhof“ (Copyright Jan Böhmermann) Nius gegründet. Vernunftbetonten Menschen ist Nius vor allem durch haarsträubende Faktenverdrehung, Hass auf Grün-Politiker*innen und menschenverachtende Kampagnen bekannt geworden. Besonders eindrücklich in Erinnerung blieb die Hetzkampagne gegen Alexandra Föderl-Schmid Anfang des Jahres, damals stellvertretende Chefredakteurin der Süddeutschen Zeitung, auf Grund von Plagiatsvorwürfen, die sich schnell als an den Haaren herbeigezogen herausstellten.
Beide Medien sind das private Vergnügen reicher Multimillionäre.
Aber sind sich Exxpress und Nius wirklich so ähnlich? Ja und nein. Gemeinsam ist beiden der flexible Umgang mit Fakten und die mehr oder weniger subtile Unterstützung von Strömungen und Parteien am rechten Rand. Gut weg kommen bei Nius vor allem CSU, FDP, AfD und teilweise auch die CDU. Wobei die Ehrenvorsitzende der CDU, Angela Merkel, für Nius so etwas wie der Antichrist zu sein scheint. Exxpress galt auf Grund der persönlichen Verbindungen von Schütz lange als ÖVP-nahe, mittlerweile wird dort aber ziemlich unverhohlen Herbert Kickl als Kanzler gefordert.
Außerdem sind beide Medien das private Vergnügen reicher Multimillionäre. Hinter Nius steht der Multimillionär Frank Gotthardt, der den Medizin-Software-Konzern Compugroup Medical aufgebaut hat. Wer den Medienmarkt kennt, weiß, dass weder Nius noch Exxpress mittelfristig in die Gewinnzone kommen. Wer Millionen Euro in die Hand nimmt, um ein rechtsaußen Medium zu gründen, macht das nicht aus unternehmerischen Gründen, sondern aus beinhartem ideologischen Geltungsdrang: Den Diskurs nach Rechts verschieben.
Was Nius und Exxpress trennt? Die Qualität. „Nius ist von der Rhetorik her noch deutlich drastischer als Exxpress – etwa wenn Robert Habeck als „Despot“ bezeichnet wird – macht aber weniger handwerkliche Fehler“, sagt Björn Björnsen, der auf Bluesky einen vielzitierten Watchblog über Exxpress betreibt. „Die Qualität von Exxpress ist oft einfach schlecht.“
Seit Oktober ist die Nius-Mutter VIUS mit 50 Prozent der größte Eigentümer von Exxpress und hält mit Christian Opitz auch einen der zwei Geschäftsführerposten.
Dass Exxpress finanziell nicht auf Rosen gebettet ist, zeigt sich auch, wenn man die Seite das erste Mal besucht. Unglaublich 884 Cookies sollen User*innen akzeptieren; fast ausschließlich, um personalisierte Werbung anzuzeigen. Zum Vergleich, bei den direkten Konkurrenten heute.at und oe24.at sind es 141 respektive 139 „Partner“, die die Einwilligung zum Datenspeichern wollen. Gleichzeitig wird exxpress.at nahezu unnutzbar, wenn man die Cookies akzeptiert und Werbeblocker deaktiviert: lange Ladezeit, Pop-ups, Musik aus dem Nichts.
Außerdem vermischt Exxpress redaktionelle und werbliche Inhalte, so dass für die Kund*innen nicht eindeutig zu erkennen ist, ob Geld geflossen ist. „Bitcoin-Booster: Wie Kryptowährungen einem Fonds zu Rekord-Performance verhelfen“ heißt es etwa in einem aktuellen Artikel, in dem ein Fonds der C-Quadrat (zur Erinnerung: Das ist das Unternehmen von Alexander Schütz) ausschließlich positiv besprochen wird. User „achmed“ merkt sogar in einem Kommentar an, dass die Informationen falsch sind, und der Fonds im Vergleich zu vielen anderen Anlagen unterperformt. Die tag eins-Presseanfrage dazu blieb von Exxpress übrigens unbeantwortet.
Zum Start im Jahr 2021 heuerte Exxpress mit René Rabeder einen ehemaligen Mitarbeiter des Wochenblicks an; ein mittlerweile eingestelltes FPÖ-nahes Blatt, das am rechten Rand positioniert war, Verschwörungstheorien und Angstmache inklusive. Der Presserat warnte vor dessen „irreführender Berichterstattung“.
Für den Wochenblick schrieb Rabeder über ein „Imperium der Globalisten“, bei Exxpress wetterte er gegen muslimischen Antisemitismus. Heute schreibt Rabeder für die deutsche Junge Freiheit, die als Scharnier zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus gilt.
Im rechtsextremen Milieu war auch eine andere Nius- und Express-Autorin aktiv: Magdalena Menegus. Sie, die zuvor bei Aufmärschen der Identitären in Österreich ebenso zu finden war, wie bei der Jungen Alternative Hessen oder bei einem rechtsextremen Vernetzungstreffen in der Steiermark. Ihre Mitarbeit war auch Thema in dem Beitrag von ZDF Magazin Royale über Nius und Exxpress, die vom Rechercheportal Stoppt die Rechten aufgedeckt worden war.
Das „eher rechts“ angesiedelte Personen beim Exxpress arbeiteten, sagte auch die ehemalige stellvertretende Chefredakteurin Anna Dobler, nachdem sie entlassen worden war. Grund war, dass sie auf Twitter/X schrieb, dass Nationalsozialisten „nicht nur Mörder, sondern auch durch und durch Sozialisten“ gewesen seien. Dobler nahm die Entlassung nicht hin und wehrte sich juristisch dagegen.
Und Dobler fuhr schwere Geschütze gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber auf: In einer Klage gegen ihre Entlassung kritisierte sie die „journalistisch-unethische Handlungsweise“ der Redaktion, gab an, dass Beiträge regelmäßig „abgeschrieben bzw. kopiert“ werden würden, und beschuldigte Chefredakteur Richard Schmitt des „provokativen Verhaltens“. Auch sah sie es als problematisch an, dass aus ihrer Sicht, vermehrt Personal eingestellt wurde, das „ideologisch eher ,rechts' angesiedelt“ sein soll. Es kam schließlich zu einer außergerichtlichen Einigung. Mittlerweile ist Dobler wieder gut auf Exxpress zu sprechen und teilt häufig deren Artikel auf Twitter/X. Gegenüber tag eins bestätigt Dobler seit 1. September wieder für Exxpress zu arbeiten.
Trotz aller schönen Worte von Eva Schütz war und bleibt Exxpress ein Medium, dass weit weg von Qualität und gehobenen Boulevard ist. Ob das immer so geplant war oder einfach nicht besser geklappt hat, sei dahin gestellt. Beim Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit erinnert Exxpress an die Tageszeitung Österreich/oe24, die einst als die Qualitätszeitung im Stil der Süddeutschen Zeitung für Österreich angekündigt wurde. Auch stilistisch und inhaltlich kupfert Exxpress kräftig bei OE24 ab: Talksendung werden immer mehr zum Kerngeschäft, Rechtsauslegern wie Strache, dem Meinungsforscher Heinzlmaier oder dem EX-BZÖ-Politiker Grosz wird breit Platz eingeräumt. Ob sich das wirtschaftlich ausgehen wird, bleibt abzuwarten. „Ich bin mal gespannt, wie sich das alles entwickeln wird. Ich würde nicht darauf wetten, dass es den Exxpress in zwei bis drei Jahren noch geben wird“, sagt Beobachter Björnsen.
Anm. der Redaktion: In einer ursprünglichen Fassung des Artikels wurde der Tweet von Anna Dobler nicht ganz vollständig wiedergegeben. Es fehlte ein „auch“. Wir haben es ergänzt.
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