Was wurde aus dem Wasserstoffland Nummer 1?
ÖVP-Chef Sebastian Kurz und Elisabeth Köstinger präsentierten am 1. Juli 2019 in Wien das "Klimaschutzpaket der neuen Volkspartei". Bild: ROLAND SCHLAGER / APA / picturedesk.com
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Jasmin Spreer
Reporterin

Was wurde aus dem Wasserstoffland Nummer 1?

2019 wollte Sebastian Kurz Österreich zum “Wasserstoffland Nr. 1 weltweit” machen. Ex-Kanzler Kurz hat an Relevanz für Österreich verloren, Wasserstoff hingegen nicht. Wasserstoffautos sind trotzdem nicht die Zukunft.

Abgerundete Ecken, ein blauer Schriftzug “Hyundai”. Was diesen unspektakulären weißen Bus antreibt, bewegt Politiker*innen, Fachleute und Laien. Peter Tesar vom Team der Betriebsgarage Leopoldau der Wiener Linien “testet alles, was neu am Markt ist”: Von Wasserstoff angetriebenen Bussen, zu direkt elektrifizierten oder einzelnen, neuen Bauteilen. Er setzt den schwarzen Zapfhahn auf das Gegenstück des Busses und drückt auf den grünen Startknopf. Dröhnend fließt mit 700 bar Druck der Wasserstoff gasförmig in den H2-Bus von Hyundai.

Der Wasserstoff-Bus ist als Teil des Forschungsprojekts “HyBus” auf allen Busstrecken Wiens bis 2024 abwechselnd testweise unterwegs. Bisher fahren die Wiener Linien - mit Ausnahme zweier Innenstadtlinien - Dieselbusse.

Hyundai-Wasserstoffbus in der Betriebsgarage der Wiener Linien in Leopoldau. ©Wien Energie/Max Kropitz
Hyundai-Wasserstoffbus in der Betriebsgarage der Wiener Linien in Leopoldau. ©Wien Energie/Max Kropitz

Ein Klacken, Tesar entfernt den Zapfhahn, das Dröhnen verklingt. Kein Zischen, kein Gestank. Maximal 15 Minuten braucht der Bus für eine komplette Volltankung, in der gleichen Zeit könnten bis zu fünf Dieselbusse getankt werden, so Tesar. Etwa 34 Kilogramm Wasserstoff passen in den Tank des H2-Bus von Hyundai. Fünf bis sieben Kilogramm schluckt der Bus  auf 100 Kilometer, zeigen die Erfahrungen der Wiener Linien. Damit kommt er mit einer Ladung pro Tag trotz anspruchsvoller Strecke aus. Das ist der riesige Vorteil von Wasserstoff; E-Busse fahren aktuell mit geringerer Reichweite. Noch haben sich die Wiener Linien aber auf keine Technologie festgelegt.

Mit Wasserstoff auf Stimmenfang

Wasserstoff könnte für die grüne Energiewende zum entscheidenden Puzzlestein werden.  Das Verbrennen von fossilen Rohstoffen verursacht enorme Treibhausgasemissionen, die zur globalen Erwärmung führen. Statt Kohle, Öl und Erdgas könnte an vielen Stellen auch Energie aus Wasserstoff kommen - besonders dort, wo Batterien bzw. direkte Elektrifizierung nicht tauglich sind. In der Mobilität wird Wasserstoff zumeist in Verbindung mit Brennstoffzellen verwendet. In den Brennstoffzellen wird durch die Reaktion von Wasserstoff mit Sauerstoff elektrischer Strom gewonnen. Dieser fließt in den elektrischen Motor, aus dem Auspuff entweicht Wasser beziehungsweise Wasserdampf. Klingt nach einem Wunderkind.

Pressekonferenz von Sebastian Kurz und Elisabeth Köstinger am 1.7.2019 FOTO: APA/ROLAND SCHLAGER
Sebastian Kurz glaubte an Wasserstoff. Im Juli 2019 präsentierte er gemeinsam mit Elisabeth Köstinger das "Klimaschutzpaket der neuen Volkspartei". FOTO: APA/ROLAND SCHLAGER 

Ein Rückblick: Im Wind rauschen grüne Blätter, die Juli-Sonne brennt ins Gesicht, die türkisen Partei-Aufsteller im Rücken  -  Sebastian Kurz als Parteiobmann und Elisabeth Köstinger (damals gerade Nationalratsabgeordnete, aber eigentlich Ex-Nachhaltigkeitsministerin) präsentieren  im Juli 2019 das Klimaschutzpaket der “Neuen Volkspartei (ÖVP)”. Zur Erinnerung, damals regiert gerade die Übergangsregierung unter der Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein. In etwa drei Monaten wird gewählt, Klimaschutz fällt unter Wahlkampf. Wichtiges Element des türkisen Klimaschutzpakets: Wasserstoff. Aber anders als viele Expert*innen meinen, sieht die ÖVP Wasserstoff auch als Treibstoff für Autos. 500 Millionen Euro Förderung innerhalb von zehn Jahren will Kurz für Unternehmen ausschütten, die zu Wasserstoff forschen, und um Wissenschaftler*innen ins Land zu holen. Ein Wasserstoffcluster soll entstehen und insgesamt 30.000 neue Jobs bis 2030. Und dann versteift sich Kurz zu einer konkreten Ankündigung: Bis 2025 plant er ein flächendeckendes Wasserstoff-Tankstellennetz. Kurzum, Österreich soll “Wasserstoffland Nummer 1 weltweit” werden.___STEADY_PAYWALL___

OMV: “Kein positiver Trend im Wasserstoff-PKW-Bereich”


Zurück ins Jetzt: Kurz und Köstinger haben sich aus der Politik verabschiedet und die neue Farbe der Volkspartei ist alt. Ohne sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen: Bis 2025 wird es  kein bundesweites Wasserstoff-Tankstellennetz geben. Fünf PKW-Wasserstofftankstellen betreibt die OMV derzeit in Österreich, alle auf Basis von grauem Wasserstoff - für grünen Wasserstoff würden laut OMV noch die marktkonformen Rahmenbedingungen fehlen. Der Preis Anfang Mai: 23,99 Euro pro Kilogramm. Neue Wasserstofftankstellen plant die OMV nicht, denn es fehle “der positive Trend im Wasserstoff-PKW-Bereich”. 2021 und 2022 wurden jeweils nur 14 mit Wasserstoff betriebene Brennstoffzellen-Pkws zugelassen. Insgesamt fahren gerade einmal 62 dieser Autos in Österreich.

Wasserstoff-Tankstelle in Wien - € 23,99 kostet das Kilogramm Foto: Jasmin Spreer
€ 23,99 kostet das Kilo des "Champagner der Energiewende" derzeit bei der Wasserstoff-Tankstelle in Wien-Floridsdorf. Foto: Jasmin Spreer

Zum Vergleich: Rein elektrisch waren letztes Jahr 110.225 Pkws in Österreich unterwegs, 34.165 E-Autos wurden 2022 neu zugelassen. Der technologieoffene Wettbewerb kennt einen klaren Sieger - zumindest im PKW-Segment.

Keine neuen Wasserstoff-Tankstellen bedeutet aber nicht, dass Wasserstoff kein Thema für den Konzern ist. Noch 2023 will die OMV eine Elektrolyseanlage in der Raffinerie Schwechat in Betrieb nehmen. Mittels Windkraft ist hier die Produktion von grünem Wasserstoff geplant, der direkt in der Raffinerie grauen Wasserstoff ersetzen soll.

Politisch ist der Wasserstoff-PKW inzwischen sowieso eine lahme Ente. Anfang Juni 2022 präsentierte die aktuelle Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) gemeinsam mit dem Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) die österreichische Wasserstoffstrategie. Grüner Wasserstoff ist für die Klimaschutzministerin “der Champagner der Energiewende”, er sei wertvoll und vielseitig, aber nicht unendlich. Die zukünftigen Einsatzgebiete werden daher priorisiert, damit das, was da sein wird, “so gezielt wie möglich” eingesetzt wird, nämlich dort “wo es keine Alternativen gibt”. Den Einsatz als Treibstoff in Pkws meint sie damit nicht.

Stattdessen wird der Einsatz in der Stahl- und Chemieindustrie, dem Flug- und Schiffsverkehr und als Spitzenlastenausgleich für volatile erneuerbare Energien politisch hoch priorisiert. Denn Wasserstoff wird überall dort gebraucht, wo Strom nicht hinkommen kann, Batterien zu schwer sind oder viel thermische Energie benötigt wird.

Aber die Nutzung von Wasserstoff ist nicht nur Zukunftsmusik. Bereits heute werden 140.000 Tonnen fossiler - also grauer - Wasserstoff jährlich in der Industrie verbraucht. 80 Prozent des fossilen Wasserstoffs sollen bis 2030 durch klimaneutralen ersetzt sein. Bis dahin soll in Österreich eine Elektrolysekapazität von einem Gigawatt zur Wasserstoffproduktion zur Verfügung stehen.

Factbox
  • Für grünen Wasserstoff wird Wasser unter Einsatz elektrischer Energie in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten, die sogenannte Elektrolyse. Genutzt wird Strom aus erneuerbaren Energiequellen.
  • Grauer Wasserstoff wird aus fossilen Rohstoffen hergestellt. Genutzt wird zumeist das Verfahren der “Dampreformierung” von meistens Erdgas. Als “Abfallprodukt” werden große Mengen CO2 an die Atmosphäre abgegeben.
  • Blauer Wasserstoff ist grauer Wasserstoff, bei dem allerdings das CO2 per Carbon-Capture-and-Storage-Technologie (CCS) aufgefangen und gespeichert wird, bevor es in die Atmosphäre entweicht.
  • Türkiser Wasserstoff entsteht durch Methanpyrolyse. Dabei wird Methan thermisch gespalten. Es entsteht Wasserstoff und fester Kohlenstoff.
  • Pinker/Roter Wasserstoff wird wie der grüne Wasserstoff ebenfalls elektrolytisch hergestellt, nur dass Strom aus Atomkraft zum Einsatz kommt.
Wo Wasserstoff eingesetzt werden soll - Priorisierung durch das Klimaschutz- und Enegieministerium. Bild: BMK

4 TWh grünen Wasserstoff bis 2030

Das deckt sich auch mit einem anderen energiepolitischen Ziel: Ohne russische Importe den österreichischen Gasbedarf decken. Eine Studie der Österreichischen Energieagentur (AEA) – ein Verein mit der Klimaschutz- und Energieministerin als Präsidentin – prognostiziert für 2030 mit 60 TWh einen rund 30 Prozent niedrigeren Gasverbrauch im Vergleich zum Status quo. Neben Effizienzmaßnahmen spielt vor allem der Ersatz von bisher eingesetztem Erdgas eine Rolle, beispielsweise in der Raumwärme. Der restliche Bedarf soll auch durch heimische Reserven gedeckt werden. Etwa durch Biomethan und heimisches Erdgas. Grüner Wasserstoff aus Österreich soll dann vier TWh des Verbrauchs abdecken - ein überschaubarer Anteil.

Laut der Wasserstoffstrategie liegt der Bedarf an erneuerbaren Gasen 2040 bei mindestens 89 TWh, wovon 75 TWh von Wasserstoff abgedeckt werden könnten. Davon, dass Österreich seinen Bedarf allein decken kann, geht die Bundesregierung sowieso nicht aus. Im Gegenteil, ein Fokus der Strategie liegt auf der Stärkung der Partnerschaften für den Import von diesem besonderen Champagner. Von “Österreich als Wasserstoffland Nummer eins” redet heute niemand mehr.

“Kohle der Zukunft”

“Wasser ist die Kohle der Zukunft”, ließ Jules Vernes seinen Protagonisten in der “Geheimnisvollen Insel” bereits 1874 prophezeien. In Österreichs Wasserstoffstrategie wird das Gas nun als "wichtiger Baustein für die Energiewende” bezeichnet. Diese Einschätzung sei realistisch, urteilt Andreas Indinger, Head of Center Research & Innovation bei der AEA. Als Experte war er in die Erarbeitung der Strategie involviert. Alle Probleme könne man nicht mit Wasserstoff lösen, aber man werde ihn brauchen.

“In manchen Bereichen ist Wasserstoff nicht sinnvoll, in manchen ist er eine Alternative und in gewissen Bereichen ist er die einzige Option", so Indinger. Das allerdings nur, wenn die Produktion von Wasserstoff nicht selbst zu Lasten des Klimas geschieht. Für die Produktion von einer Tonne Wasserstoff per Elektrolyse “sind rund 50 MWh elektrische Energie und 9.000 Liter Wasser notwendig”, so die AEA. Je nach konkretem Elektrolyse-Verfahren geht das deutsche Umweltbundesamt von einem Wirkungsgrad von 75 Prozent aus. Das heißt, ein Viertel der verwendeten Energie geht beim Prozess verloren. “Wir werden grünen Strom aus heimischer Produktion nicht im Überschuss haben, denn der steigende Stromverbrauch ist eine Herausforderung für den Ausbau der erneuerbaren Energien”,  so Indinger.

Zur Deckung des heimischen Bedarfs definiert das Klimaministerium daher auch blauen und türkisen Wasserstoff als “klimaneutral”, sobald diese die Technologiereife erreicht haben. Für Indinger ist das ein Zugeständnis an die Industrie. Allerdings bezweifelt er, dass blauer oder türkiser Wasserstoff in Anbetracht des gesamten Lebenszyklus das Prädikat “klimaneutral” erfüllen kann.

Die EU-Kommission gab im Februar genauere Definitionen bekannt. Erneuerbarer Wasserstoff soll aus erneuerbaren Energien hergestellt werden. Dieser muss, ebenso wie auf ihn basierende flüssige Brenn- und Kraftstoffe, wie E-Fuels, zu mehr als 70 Prozent Treibhausgaseinsparungen im Vergleich zu einer fossilen Vergleichsgröße führen. Zudem gibt es Kriterien zur “Zusätzlichkeit” der genutzten erneuerbaren Stromquellen, Zeit und Ort der Produktion. Kritik gab es an einem Vorschlag der EU-Kommission, nachdem unter gewissen Voraussetzungen in Gebieten mit CO2-armen Stromnetzen auch Atomstrom eine Rolle spielen könnte. Erneuerbarer Wasserstoff, der aus Biomasse, wie etwa Biogas hergestellt wird, fällt unter die Definition von „Biomasse-Brennstoffen“ der Erneuerbare-Energien-Richtlinie. Wasserstoff aus nicht erneuerbaren Quellen kann als "kohlenstoffarmer" Wasserstoff gelten, wenn er den genannten Schwellenwert in Anbetracht des Lebenszyklus einhält.

Indinger: Vorgehen statt abwarten

"Wenn Sie mich fragen, ob ich schon den einen Gigawatt [Anm. d. Red. Elektrolysekapazität] bis 2030 sehe, dann muss ich sagen: Nein”, so Indinger vom AEA, “Nicht weil es technisch nicht machbar wäre, sondern weil die bis dato angekündigten Projekte nicht auf die Zahl schließen lassen.” Neben Förderschienen brauche es auch  entsprechende Geschäftsmodelle und Sicherheit für diese Unternehmen, selbst in den Umbau zu investieren. “Jetzt wird es auch wichtig, dass wir Signale geben, was nach 2030 passiert”, so Indinger. Die Klimaneutralität will Österreich bereits 2040 erreichen, früher als viele andere Länder. Darauf zu warten, wie diese den Umstieg auf Wasserstoff angehen, kann das Land daher nicht. Das wiederum ist aber auch eine Chance, wie er findet: “Wenn wir Lösungen haben, die funktionieren, dann gibt es tolle Exportmärkte für diese Technologien.”

Wo macht also der Einsatz des “Champagners der Energiewende” am meisten Sinn? Fünf Einsatzgebiete nennt Robert Tichler, Geschäftsführer des Energieinstituts an der Johannes-Kepler-Universität Linz, auf diese Frage: “1. Greening industrieller Prozesse, 2. Wasserstoff als Basischemikalie für weitere Kohlenwasserstoffe für chemische Prozesse und etwa zum Einsatz im Schiff- und Flugverkehr, 3. in der saisonalen Speicherung von elektrischer Energie, 4. im Fernwärmenetz zu Spitzenlastzeiten und 5. für spezifische Herausforderungen im Lastmanagement des Stromnetzes."

Das sind die Einsatzmöglichkeiten, “wo nahezu keine anderen Alternativen denkbar sind”, so Tichlers Einschätzung. Bezüglich des Einsatzes im öffentlichen Verkehr oder auch im Güterverkehr will er nicht mit einem pauschalen “Ja” oder “Nein” antworten. “Ich würde es nicht schwarz oder weiß betrachten, sondern den Einsatz dort planen, wo sich entsprechende Vorteile zeigen, das kann ja auch eine kombinierte Flotte sein”, so Tichler. “Aber die Tendenz zeigt von den Mengen her schon zu einer direkten Elektrifizierung in diesen Bereichen.”

Wiener Linien: Endgültige Entscheidung über Antriebsform steht noch aus

Diese Tendenz ist auch bei den Wiener Linien abzulesen: Noch diesen Herbst wollen die Wiener Linien zehn weitere Elektrobusse einsetzen, 50 weitere folgen bis Ende 2025.   Zehn Wasserstoffbusse sollen ab Mitte 2025 durch Wien kurven. Eine endgültige Entscheidung über die Zukunft von Wiens Busverkehr ist das aber noch nicht. Vielmehr ein weiterer “Testbetrieb im Realbetrieb”, bevor dann intern die endgültige Entscheidung über die zukünftige Antriebsform getroffen wird, so der Leiter der technischen Busflotte von den Wiener Linien, Gerhard Siegl. Wie viel ein Wasserstoffbus aktuell kostet, will Siegl nicht beantworten, als Antwort folgt nur ein Wort: “teuer”.

Was “teuer” nun genau bedeutet, bleibt offen.

Der europäische Busanbieter Solaris Bus & Couch mit Hauptsitz in Polen gibt auf Anfrage einen “sehr allgemeinen” Bezugspunkt preis: “Wir können ganz allgemein davon ausgehen, dass der Preis für einen 12-Meter-Batteriebus um die 550.000 Euro liegt und für einen Wasserstoffbus etwa um die 650.000 Euro.” Der genaue Preis pro Bus sei abhängig von Faktoren wie etwa Batterietyp und -kapazität oder der endgültigen Ausführung des Busses.

Tichler: “Kann nicht sagen, dass das hier verschlafen wird”

Seit Sebastian Kurz und Elisabeth Köstinger in der Juli-Sonne über Wasserstoff gesprochen haben, gab es “signifikante Fortschritte in der Forschung und Entwicklung” im Bereich Wasserstoff, national und global, sagt Tichler von der Universität Linz. “Sehr viele Forschungsprojekte wurden jetzt auch in die Demonstration geführt oder in die Pilotierung und es geht sehr stark bereits um eine Vernetzung verschiedener Projekte und Infrastrukturen”, so Tichler. Als “technologisch absolut ausgereift oder kurz vor der absoluten Marktreife” bewertet er beispielsweise die Brennstoffzelle oder auch die Wasserstoff-Tankstelle. Entwicklungspotenzial sieht er in einer “dynamischen Wasserproduktion”, bei der der Betrieb des Elektrolyseurs an schwankende erneuerbare Strommengen angepasst ist.

Die Verfügbarkeit von elektrischer Energie bei steigendem Bedarf ist die größte Baustelle der nächsten 20, 30 Jahre in seinen Augen. “Das heißt, es geht hier auch um differenzierte Importstrategien, die wir heute schon aufsetzen müssen, sowohl für Strom, als auch für Wasserstoff”, so Tichler. Aber er ist zuversichtlich: “Man kann sicherlich nicht sagen, dass das hier verschlafen wird.”

Gampern: Wasserstoff löst Erdgas ab

Von außen betrachtet, lässt sich das Besondere hier nicht direkt erfassen. Links ein Feld, rechts ein Feld, daneben reiht sich ein brauner Acker. Zentriert, umgeben von einem Zaun, blitzen in der Sonne metallene Apparate und Kästen, aufgestellt auf weißem Kies. Gekrönt wird das Gelände heute von einem blütenweißen Veranstaltungszelt. Ende April 2023 wurde im oberösterreichischen Gampern der „Underground Sun Storage“ eröffnet. In dieser Demonstrationsanlage wird zukünftig überschüssiger erneuerbarer Strom beispielsweise aus Sonnen- oder Windkraft in mehr als 1.000 Metern Tiefe in Form von Wasserstoff in den Poren des Sandsteins eingelagert.

Federführend bei dem Projekt ist die RAG Austria AG, ehemals Rohlölaufsuchgesellschaft, heute Renewables and Gas, die den Wasserstoff direkt auf dem Gelände per Elektrolyse herstellt. Der Wasserstoff wird nach einem Stopp über die Verdichteranlage über eine Sonde in die ehemalige Erdgaslagerstätte eingebracht. Wird Wasserstoff benötigt,  wird er auf demselben Weg wieder ausgebracht, getrocknet, aufgereinigt und zur nächsten Industrieanlage der RAG Austria geleitet. Dafür soll heuer im Sommer eine acht Kilometer lange Pipeline entstehen.

4,2 GWh Sommerstrom, oder, wie es die RAG Austria auch ausdrückt, der  Sonnenstrom-Überschuss von etwa 1.000 Photovoltaik-Anlagen auf Einfamilienhäusern, können hier zukünftig in Form von Wasserstoff in den Winter transferiert werden. Gewertet wird die Demonstrationsanlage als ein erster Schritt, abhängig von der weiteren Entwicklung.

HyCentA: Wasserstoff-Forschungszentrum wird geadelt

An dem Projekt in Gampern war auch die HyCentA Research GmbH, kurz HyCentA beteiligt. Seinen Anfang hatte die außeruniversitäre Wasserstoff-Forschungseinrichtung bereits 14 Jahre vor der Entdeckung des "Champagners" als Wahlkampfthema. Seit 2023 ist es eines von Österreichs K1-COMET-Kompetenzzentren und forscht damit zu “strategisch wichtigen” Bereichen für die heimische Wirtschaft. Die Anerkennung seines Wasserstoffzentrums ist in den Augen des Geschäftsführers Alexander Trattner daher “wichtig für den gesamten österreichischen Standort.”

Passend zu Österreichs Elektrolyse-Ausbauzielen outet sich Trattner als Fan der Elektrolyse-Forschungen. Einerseits, weil die Elektrolyse bereits in den Markt überführbar sei und damit einen Beitrag zur Erzeugung von grünem Wasserstoff leistet und andererseits, weil das Ende der Fahnenstange in dem Bereich noch lange nicht erreicht ist. Ein Beispiel dafür ist die "Photoelektrolyse" - eine Kombination aus Photovoltaikanlagen und Elektrolysezellen. Durch Sonneneinstrahlung wird Strom in der Zelle erzeugt und direkt zum Spalten von Wasser verwendet. “Damit wird die direkte Umwandlung von Solarenergie in Wasserstoff möglich”, so Trattner. Quasi eine künstliche Photosynthese. Soweit ist es aber noch nicht. Der Experte geht noch  von "einigen Jahren Forschung” aus, bevor es zu einer  Markteinführung kommt.

Wird Österreich “Wasserstoffland Nummer 1”?

Wird Österreich denn nun “Wasserstoffland Nummer 1?” In der Antwort sind sich alle drei Experten einig, die Antwort lautet: “Eher nein”. Wahrscheinlich wäre das als kleine Volkswirtschaft gar nicht möglich, so Tichler vom Energieinstitut der JKU-Linz. Einen sehr breit gefächerten, vielleicht "weitaus größeren als in anderen Volkswirtschaften”  Einsatz von Wasserstoff, insbesondere in der Industrie, hält er aber  für wahrscheinlich. Der Forscher Trattner führt zu wenige Mitteln für die Forschung an, vor allem im internationalen Vergleich und wünscht sich eine Stärkung der Innovation in der aktuellen Wasserstoffstrategie,

Eine absolute Verneinung ist das aber nicht. Für einige Wirtschaftssektoren Österreichs kann die steigende internationale Wasserstoff-Nachfrage Chancen bedeuten. Nach einer Superlative klingt das nicht. Das ist außerhalb des Wahlkampfes vielleicht auch gar nicht notwendig.

Autor*in: Jasmin Spreer

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