ÖVP-Chef Christian Stocker und FPÖ-Chef Herbert Kickl am 13. Jänner 2025 anlässlich eines Pressestatements über die Koalitionsgespräche im Parlament in Wien. Foto: APA/picturedesk/HELMUT FOHRINGER
Dominik Ritter-Wurnig
Gründer
Die schlagenden Verbindungs-Verhandler der FPÖ
Wer sind eigentlich die Leute, die im Moment über Österreichs Zukunft verhandeln? tag eins hat recherchiert und festgestellt, da sitzen ganz schön viele Korporierte (also Burschenschafter) mit am Verhandlungstisch.
Warst du schon mal auf einer Bude? Nein? Weißt du nicht mal, was mit Bude gemeint ist?
Dann geht es dir wie 99 Prozent der Menschen in diesem Land. Bei 75 Prozent der männlichen FPÖ-Koalitionsverhandlern ist das anders. Neun von zwölf FPÖ-Verhandlern sind Mitglieder einer deutschnationalen Verbindung. Laut Rechtsextremismusbericht im Auftrag des Innenministeriums haben deutschnationale Verbindungen in Österreich insgesamt weniger als 10.000 Mitglieder und repräsentieren damit weniger als ein Promille der österreichischen Bevölkerung. Unter der FPÖ-Elite sind diese aus der Zeit gefallenen Männerbünde hingegen überrepräsentiert.
Mit Ausnahme von Parteichef Herbert Kickl, FP-Generalsekretär Michael Schnedlitz sowie Hubert Fuchs, der das Kapitel Steuern und Finanzen für die Freiheitlichen verhandelt, sind alle männlichen Verhandler Mitglied einer schlagenden Burschenschaft. Auch in der ÖVP hilft eine Mitgliedschaft in einer katholischen Verbindung nach wie vor auf der Karriereleiter aufzusteigen: Mit Christian Stocker ist auch der neue Parteivorsitzende Mitglied einer katholischen Hochschulverbindung, der Neustadia.
Grafik: Eigene Darstellung
Warum ist das wichtig? Studentenverbindungen sind lebenslange, rein männliche Seilschaften, die sich gegenseitig fördern und weiterhelfen. Grob lassen sich österreichische Verbindungen in zwei Lager unterteilen: Katholische Verbindungen sind nicht-schlagend, stehen traditionell der ÖVP nahe und waren historisch gesehen Unterstützer des Austrofaschismus. Deutschnationale Verbindungen duellieren sich im Fechtkampf, stehen traditionell der FPÖ nahe und waren historisch gesehen Unterstützer der nationalsozialistischen Machtergreifung in Österreich.
Anders als die ÖVP etwa im Wahlkampf behauptet hat, geht es bei Verbindungen nicht um das Prinzip Leistung, sondern das Prinzip Amicitia. Das heißt, es sind alle Cartellverbandsmitglieder durch eine „Lebensfreundschaft“ verbunden und per Du. Im Cartellverband (CV) sind die meisten katholischen Studentenverbindungen organisiert; daneben existieren mit dem Mittelschülerkartellverband (MKV) und dem Bund katholisch-österreichischen Landsmannschaften (KÖL) weitere Verbände.
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Politisch weit problematischer sind aber die deutschnationalen bzw. schlagenden Verbindungen, die traditionell mit der FPÖ verbandelt sind.
„Selbst unter einem FPÖ-Obmann wie Herbert Kickl – der nicht korporiert ist und dem man auch nachsagt, mit dem Milieu wenig anfangen zu können – kommt die FPÖ nicht daran vorbei, bei Regierungsverhandlungen auf Korporierte zurückzugreifen“, sagt Bernhard Weidinger, der am Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes zu Rechtsextremismus forscht.
Deutschnational und schlagend Deutschnational bedeutet, dass diese Männerbünde - zumindest traditionell - Österreich als Nation ablehnen und eine Wiedervereinigung mit Deutschland anstreben. Dass dieser Gedanke noch immer aktuell ist, zeigt ein Blick auf die Webseite der akademischen Burschenschaft Oberösterreicher Germanen in Wien, bei der Hannes Amesbauer Mitglied ist. Amesbauer verhandelt für die FPÖ ausgerechnet die Kapitel Innere Sicherheit und Integration. Auf der Homepage finden sich statt der österreichischen Fahne die deutsche schwarz-rot-goldene Fahne sowie die schwarz-weiß-rote Reichsflagge. In Instagram-Postings beziehen sich die „Obergermanen“ auf Deutschland oder feiern statt Weihnachten das altgermanische Julfest. Klar revisionistisch ist auch ein Instagram-Posting vom Weißhorn-Gipfel in Südtirol mit dem Hashtag #eintirol.
Screenshot: burschenschaft_obergermanen/Instagram
Schlagend bedeutet, dass die jungen Burschenschafter ohne ausreichende Schutzkleidung sogenannte Mensuren fechten müssen. Verletzungen und Narben – auch Schmisse genannt – werden bewusst in Kauf genommen und dienen als Zeichen der Härte. Das kultische und blutige Aufnahmeritual dient auch zur Abgrenzung gegenüber den katholischen, nicht-schlagenden Verbindungen, die als verweichlicht und elitär angesehen werden. „Auch dann, wenn man für sich selbst ficht, zeigt man dennoch mit der Mensur, dass man bereit ist, seine eigene Unversehrtheit an die zweite Stelle zu setzen – hinter das Corps, hinter die Gemeinschaft!“, heißt es auf der Homepage der Teutonia Graz, wo Volker Reifenberger Mitglied ist, der für die FPÖ die Themen Landesverteidigung und Sport verhandelt. Durch den rituellen Fechtkampf lerne man, mit Härten umzugehen, Nachteile in Kauf zu nehmen und innerhalb der Corps-Gemeinschaft Solidarität zu üben, heißt es.
Wie weit rechts stehen Burschenschaften? Die Burschenschaft Olympia gilt laut DÖW-Wissenschaftler Bernhard Weidinger als gesichert rechtsextrem. In der Selbstbeschreibung definiert sich die Olympia als die schärfste Burschenschaft Wiens. Deren Mitglied Norbert Nemeth verhandelt das Kapitel „Verfassung, Deregulierung, Öffentlicher Dienst, Kampf gegen Antisemitismus und politischen Islam“. Laut Standard sprach sich Nemeth in den 1990ern gegen das Gesetz aus, das nationalsozialistische Wiederbetätigung unter Strafe stellt.
Screenshot: burschenschaft_olympia/Instagram Story
Wie weit rechts die meisten schlagenden Burschenschaften und Korporationen stehen, lässt sich von außen schwer beurteilen. „Viele Verbindungen agieren nach außen sehr verschlossen“, sagt Weidinger, der zum Thema Burschenschaften seine Dissertation geschrieben hat. „Deshalb liegt uns oft schlicht zu wenig Material vor, um eine verlässliche Einstufung – sei es als rechtsextrem oder als gemäßigt – vornehmen zu können.“
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Glaubt man den politischen Beobachter*innen ist eine Regierungskoalition zwischen FPÖ und ÖVP unter einem Kanzler Kickl quasi fix. Aber es gibt es Wege, wie Österreich ein rechtsextremer Kanzler doch noch erspart bleiben könnte.