Eine Bank ist eine Bank und sollte sich primär mit Bankdingen beschäftigen. Möchte man meinen. Nicht so im Falle der Raiffeisenbank. Die zweitgrößte Bankengruppe Österreichs mischt schon lange intensiv in Österreichs Politik (und Medien) mit. Sichtbar wird das aktuell auch in den Koalitionsverhandlungen.
Der Generalsekretär der Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien Clemens Niedrist wechselt Anfang 2023 direkt aus dem ÖVP-Finanzministerium zur RLB NÖ-Wien und verhandelt jetzt ohne offizielle Parteifunktion für die ÖVP die neue Regierung. Der maßgebliche Widerstand der ÖVP-Verhandler gegen die von der SPÖ geforderte Bankenabgabe ist bekannt und gilt als eine der Hauptursachen für das Platzen der Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS.
Dass sich die ÖVP für den Raiffeisen-Konzern einsetzt und umgekehrt ist kein Geheimnis. Wie der ÖVP-Rechenschaftsbericht 2023 an den Rechnungshof zeigt, ist der Österreichische Raiffeisenverband sogar Mitglied der ÖVP – und zahlt ihr auf diesem Wege 100.000 Euro jährlich als Mitgliedsbeitrag (*hust* Parteispende *hust*).
Man kann wohl getrost sagen: Die ÖVP verfolgt auch politische Interessen der Raiffeisenbank.
Raiffeisen und Russland
Die Raiffeisen könnte aber auch noch aus anderen Gründen ein Interesse daran haben, dass Österreich eine Regierung aus ÖVP und FPÖ hat. Die Freiheitlichen gelten als russlandfreundlich, Verbindungen zu Putins Partei „Einiges Russland“ gab es bis Ende 2021 sogar in Form eines Freundschaftsvertrages. Immer wieder wettert Parteichef Kickl gegen die EU-Sanktionen gegen Russland.
Apropos Sanktionen. Ab Mitte 2023 wurde das zwölfte EU-Sanktionspaket gegen Russland verhandelt. Österreich stellte sich zunächst quer. Erst im Dezember willigte die Bundesregierung ein. Die Ukraine hatte zuvor die Raiffeisenbank International AG (RBI) von der Liste der „Internationalen Sponsoren des Krieges“ gestrichen. Dort werden Unternehmen gelistet, die Russlands Angriff auf die Ukraine indirekt mitfinanzieren. Ein Zusammenhang liegt nahe, in der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der NEOS ging das Bundeskanzleramt von Karl Nehammer damals aber nicht näher darauf ein.
Die RBI ist immer noch in Russland aktiv. Wie es die Europäische Zentralbank (EZB) fordert, will sie ihre Geschäfte dort aber weiter minimieren. Aktuell stecken immer noch über 4,4 Milliarden Euro Geschäftskapital aufgrund der Sanktionen in Russland fest.
Am Montag diese Woche berichtete das US-amerikanische Medienunternehmen Bloomberg dann von russischen Raiffeisen-Kunden, konkret einer Chemiefirma, die Zulieferer der russischen Rüstungsindustrie sein dürfte. Die Raiffeisenbank International AG soll von dieser Firma mindestens 620.000 US-Dollar an Gebühren eingehoben haben und damit indirekt auch von Russlands Krieg profitieren.
Der Umgang mit dem Russland-Geschäft wirkt sich auch auf die Bilanz der österreichischen Bankengruppe aus. Am Dienstag wurden die Geschäftszahlen der RBI von 2024 präsentiert. Das Konzernergebnis ist um 52 Prozent auf (immer noch stolze) 1,157 Milliarden Euro eingebrochen. Hauptgrund dafür: Eine Rückstellung für einen Strabag-Gerichtsstreit in Russland und der Rückzug der Bank aus Belarus.
Raiffeisen und die Medien
Über die Halbierung des Konzerngewinns haben die Wirtschaftsredaktionen dieses Landes umfangreich berichtet. Im Zuge dessen wurde zumeist auch der Bloomberg-Bericht erwähnt. Auf die Vorwürfe angesprochen, reagierte der CEO der RBI Johann Strobl bei der Pressekonferenz zum Konzernergebnis mit einem spannenden Statement: „Man weiß nie hundertprozentig ... wer jetzt welche Rüstungs... Also wir finanzieren ewig schon keine Rüstungsindustrie.“ Für sanktionierte Kund*innen würden keine Zahlungen durchgeführt werden, heißt es zudem im Beitrag der ZIB13 von 4. Februar.
Die Raiffeisen-Gruppe ist aber auch einer der größten Medieneigentümer und besitzt etwas mehr als die Hälfte am Kurier Zeitungsverlag, der wiederum die Tageszeitung Kurier und das Wochenmagazin Profil, sowie weitere kleine (Online-)Medien betreibt. Über ein komplette Übernahme wird verhandelt.
Dass sich diese Beteiligung auch auf die Berichterstattung auswirken könnte, zeigt ein Blick auf die Berichte der beiden Medien zum Thema. Sucht man etwa nach „Raiffeisen“ in der Suchleiste von profil.at, kommt als oberster Beitrag ein Interview mit einem ehemaligen RBI-Chef von August 2024, ansonsten wird die Bankengruppe zumeist in anderen Artikeln beiläufig erwähnt. Investigative Berichte über Verstrickungen der Raiffeisen mit der ÖVP bzw. der Politik sucht man (zumindest auf den ersten Blick) vergebens.
Auch beim Kurier zeigt sich ein spannendes Bild. Erst 2024 hat der Medien-Watchblog Kobuk die Kurier-Berichterstattung der vergangenen drei Jahre analysiert und festgestellt: Die Raiffeisen kommt überdurchschnittlich oft und überdurchschnittlich positiv in den Berichten der Tageszeitung vor.
Raiffeisen besitzt außerdem noch Anteile an Kronehit, der Radiowerbefirma und ORF-Tochter ORS, der NÖN und weiteren kleinen Medien und Verlagen, darunter auch dem Agrarverlag. Dessen Geschäftsführerin ist inzwischen ausgerechnet Katharina Nehammer, die Frau des ehemaligen ÖVP-Chefs und Bundeskanzlers Karl Nehammer. Die Österreichische Volkspartei und die Raiffeisen sind augenscheinlich unzertrennbar miteinander verbunden. Möglicherweise sitzt die Raiffeisenbank also auch in der kommenden Regierung an den Schalthebeln der Republik.
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