Das Zeitungssterben ist endlich da
Am Tag der Meinungsfreiheit, dem 3.Mai, erschienen fast alle österreichischen Zeitungen mit einer leeren Titelseite. Foto: Dominik Ritter-Wurnig
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Elisabeth Oberndorfer
Kolumnistin

Das Zeitungssterben ist endlich da

Die Medienbranche erlebt jetzt die Schmerzen der Transformation, die andere Branchen schon hinter sich haben. Auch wenn es bitter klingt: Das hat auch gute Seiten.

Die Zeitungen ziehen blank. Am Tag der Meinungsfreiheit, dem 3.Mai, erschienen fast alle österreichischen Zeitungen mit einer leeren Titelseite. Die Aktion war als starkes Statement für den Pressejournalismus gedacht, und die Konkurrenten vereinen sich nicht nur für diesen Zweck, sondern auch gegen einen gemeinsamen Feind.

Denn die Kritik der Zeitungsverlage richtet sich zu vorderst gegen das neue ORF-Gesetz der Bundesregierung, dass dem öffentlich-rechtlichen Sender unter anderem erlaubt, Videos und Podcasts als reine Onlineformate zu machen, zum anderen aber auch die beliebte Nachrichtenseite orf.at stark beschränkt. Die Zeitungen üben sich in Totengräberstimmung: Vom Werbekuche werde noch weniger übrigbleiben, niemand werde ein Onlineabo abschließen, alles sei verloren.

Inflation + Medienkrise = Zeitungssterben

Ohne Zweifel, Journalist*innen haben es gerade schwer: Wir verlieren das Vertrauen der Bevölkerung, und immer mehr Arbeitsplätze. Wurden in den USA schon im vergangenen Jahrzehnt zahlreiche große Printtitel eingestellt, ist das Zeitungssterben im Schatten der starken Inflation auch in Österreich gelandet. So trennt sich der Verlag Gruner + Jahr von 23 Zeitschriften, auch der Konzern Axel Springer bereitet seine Redaktionen auf das Ende der Printmedien vor. In Österreich stellte der Styria-Verlag zwei Frauenmagazine ein, wovon zumindest eines von einem Mitbewerber übernommen wurde. Schließlich sorgte auch das langsame Ende der ältesten Tageszeitung der Welt, der Wiener Zeitung, Ende April für Aufruhr in der Medienbranche. Bis zu 60 Beschäftigte müssen gehen. Und auch bei der Konkurrenz gibt es Entlassungen: Die Kleine Zeitung und der Kurier gaben kurz davor ihre Sparprogramme bekannt.

Es ist eine Entwicklung, die absehbar war: ___STEADY_PAYWALL___Der Printmarkt hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten stark verändert. Das Geld, das bisher in das klassische Anzeigengeschäft und in Rubrikenmärkte floss, landet immer mehr in digitalen Kanälen. Schließlich hat sich auch das Publikum dorthin bewegt. Wer heute einen Gebrauchtwagen, einen Partner oder einen neuen Job sucht, geht zu willhaben, Tinder und karriere.at.

Laut Focus-Werbebilanz sanken die Werbeeinnahmen (Bruttowerbewerte) in Österreich von Printmedien 2022 um 3,2% gegenüber dem Vorjahr – gleichzeitig wuchs das Onlinewerbegeschäft um 11,3%. Im Digitalgeschäft beschweren sich die Verlage seit Jahren, dass Technologiekonzerne wie Alphabet mit Google oder Meta mit Facebook von den Inhalten der Medien profitieren und somit die Umsätze entgehen.

Quelle: Focus

Interesse an Nachrichten sinkt


Diese Phänomene quantifiziert der jährlich erscheinende Digital News Report, eine internationale Studie des Reuters Institutes. Aus der aktuellen Ausgabe geht hervor, dass nicht nur die Nutzung traditioneller Medien sinkt, sondern auch das Interesse an Nachrichten generell. Das könnte auch erklären, warum das Medienunternehmen Buzzfeed seine Nachrichtenredaktion einstellt und sich wieder ausschließlich auf Unterhaltung konzentriert.

Warum scheint die Medienbranche gerade jetzt zusammenzubrechen, wenn diese Entwicklung seit Jahren zu beobachten war? Zum einen, weil man diese Probleme zu lange ignoriert hat. So wie die europäischen Automobilkonzerne gerade von der asiatischen Konkurrenz bei E-Mobilität überholt werden, so werden Medien von Plattformen, die diese Transformation und das digitale Geschäft verstehen, überholt. Zum anderen ist der Sparkurs in der Branche eine Folge der wirtschaftlichen Lage: Die Werbetreibenden sind vorsichtiger, und der Papierpreis stieg im vergangenen Jahr drastisch, weshalb die Medienunternehmen diese Herausforderungen nicht mehr wegschieben konnten. Die Konsequenz: Weniger Printprodukte und folgedessen auch weniger Personal.

Medien in Zukunft diverser und zielgerichteter

Dieser Umbruch, so schmerzhaft er für manche sein mag, bringt aber auch Gutes: Talentierte Journalist*innen können Neues aufbauen, und damit hoffentlich die Nachrichtenverweigerer*innen wieder erreichen. Selbst bei der Wiener Zeitung entsteht etwas Neues, wenn auch mit weniger Personal und geringerer Frequenz. Der Medienmarkt wird in fünf Jahren anders aussehen als heute – unabhängiger und wahrscheinlich sogar mit mehr Angeboten als heute, auch wenn viele Titel wegfallen.

Die Finanzierung ist dabei weiterhin eine große Herausforderung, denn laut dem Digital News Report stagniert die Zahlungsbereitschaft des Publikums. Eine Lösungsansatz ist, Nachrichtenorganisationen schlanker aufzustellen, damit auch die Ausgaben überschaubar bleiben. Hier haben neue Medienmacher*innen einen Startvorteil, da sie nicht die Altlasten der großen Verlage mitschleppen. Und schließlich profitiert auch das Publikum, wenn das Nachrichtenangebot diverser und zielgerichteter wird. Das Zeitungssterben war längst überfällig, bauen wir jetzt die neue Medienzukunft auf.

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