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Diese Woche lieferte einen ersten Vorgeschmack darauf, was Österreich unter einer blau-schwarzen Regierung blühen könnte. Das 6,4-Milliarden-Sparpaket geht vor allem auf Kosten von Förderungen im Umwelt- und Klimabereich sowie dem diffusen Versprechen in jedem Ministerium 15 Prozent einzusparen. „ Sparen im System“ nennen das die zwei Verhandlungsparteien. Außerdem sollen in Zukunft Arbeitslose nicht geringfügig dazuverdienen dürfen – das spart zwar kaum Geld, macht für deren Leben aber einen großen Unterschied.
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Apropos, Sparen im System: Ob das funktionieren wird, weiß niemand. Man erinnere sich nur an die von der schwarz-blauen Regierung versprochene Patientenmilliarde, die durch die Zusammenlegung der Gebietskrankenkassen erreicht werden sollte. Im Endeffekt hat das ganze Projekt die Steuerzahler*innen allein in den ersten drei Jahren über 200 Millionen Euro gekostet, obwohl durch Einsparungen im System und Bürokratieabbau das Gegenteil angekündigt wurde.
Dazu aus dem tag-eins-Archiv:
Auch im Umgang mit der freien Presse gab es diese Woche eine Vorschau auf Österreichs Zukunft. Nach einem Bericht im Standard über FPÖ-Politiker, die bei einer öffentlichen Parteiveranstaltung in Wien-Simmering, von einem Austritt Österreichs aus der EU träumen, über den zukünftigen Koalitionspartner herziehen und Geflüchtete als „Gesindel“ bezeichnen, beschimpft der Wiener FPÖ-Parteiobmann Dominik Nepp die Tageszeitung als „Scheißblatt“ an und droht mit Einstellung der Presseförderung.
Von der ÖVP gab es darauf nicht wirklich eine Reaktion, über die Stammtischaussagen zeigte man sich zumindest „befremdet“. Das passt ins Bild, hat der neue ÖVP-Obmann Stocker erst am Sonntag einen Strategiewechsel der ÖVP hinsichtlich der „Einzelfälle“ des potenziellen Koalitionspartners durchklingen lassen.
Markus Sulzbacher hat diese Woche für euch den Sender geschaut, der für die FPÖ wohl ein echtes Qualitätsmedium ist: AUF1. Sulzbacher erläutert, wie das rechtsextreme Onlinemedium auf Blau-Schwarz blickt. Außerdem habe ich mit dem deutschen Social-Media-Experten und Gründer des Social Media Watchblogs Martin Fehrensen ein Interview geführt. Er erzählt darin, warum ihn der Rechtsruck von Mark Zuckerberg und Meta nicht überrascht und wie groß die gegenseitige Einflussnahme zwischen Internetkonzernen und Politik eigentlich ist.
Viel Freude mit dem tag eins briefing!
Wie sieht das rechtsextreme Milieu die Koalitionsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP? Antworten auf diese Frage liefert der FPÖ-nahe, rechtsextreme Onlinesender Auf1.
Dort tritt der Anführer der rechtsextremen Identitären, Martin Sellner, regelmäßig als „Experte“ auf. In einem Interview erklärt er nun den Zuschauer*innen, dass die FPÖ „alle Trümpfe in der Hand“ habe, da die angeschlagene ÖVP sich in eine „Regierung retten“ müsse. Dementsprechend sollten auch die Forderungen der Freiheitlichen sein. So schlägt er vor, die FPÖ solle sich nicht mit „Verkehr, Infrastruktur oder Sport“ abspeisen lassen, sondern die „entscheidenden Machtzentren“ übernehmen, um eine kompromisslose „Remigration“ gegen „Überfremdung“ durchzusetzen. Auch müsse eine „putschresistente Regierung“ aufgebaut werden, um vorzubeugen, dass ein „neues Ibiza“ passiere, so Sellner.
Einen ähnlichen Blick auf die Regierungsverhandlungen hat auch der AUF1-Mitarbeiter Philipp Huemer. Der einstige Identitären-Aktivist rät der FPÖ in einem Videokommentar, das Maximum rauszuholen. Sie solle „die Schlüsselressorts“ besetzen, damit meint er „das Innen-, das Justiz- und das Finanzministerium.“ Schließlich habe die FPÖ klargemacht, dass „sie am längeren Hebel sitzt“. Auch habe die ÖVP weder „Geld noch Umfragewerte“ für Neuwahlen, sagt Huemer. Dass in Österreich ein neuer Wind wehe, ist für Huemer spürbar. Als Beispiel nennt er die Aussagen des neuen ÖVP-Chefs Christian Stocker, der zu den Verbindungen zwischen der FPÖ und den Identitären erklärte, dass er für die Freiheitliche Partei „keine Verantwortung“ übernehme. Bisher führte die ÖVP genau diese Verbindungen immer wieder an, um eine Koalition mit FPÖ-Obmann Herbert Kickl auszuschließen.
Ähnliche Aussagen waren auch bei einem FPÖ-Stammtisch in Wien zu hören, die von französischen Journalisten heimlich aufgenommen und auch vom Standard veröffentlicht wurden.
von Emil Biller 📧
Die Ankündigung von Mark Zuckerberg die Fact-Checking-Programme bei Facebook zu beenden, um „wieder Meinungsfreiheit” herzustellen, führte vergangene Woche zu einem großen Aufschrei auf der ganzen Welt.
Nach Elon Musk rückt nun auch der Gründer von Facebook und Meta-CEO politisch gefährlich nahe an den zukünftigen US-Präsidenten Donald Trump. Was es damit auf sich hat, haben wir Martin Fehrensen gefragt, Social-Media-Journalist und Gründer des deutschen Onlinemediums Social Media Watchblog.
tag eins: Was geschieht da gerade bei Mark Zuckerberg und Meta? Es sieht nach einem massiven Rechtsruck aus.
Martin Fehrensen: Wir haben beim Social Media Watchblog immer mit dem Gedanken gespielt, was eigentlich passieren würde, wenn diese Plattformen einmal von jemandem geführt werden, der nicht so liberal auf die Welt blickt, wie das ein Jack Dorsey (Anm.: Twitter-Gründer) und ein Mark Zuckerberg noch vor fünf Jahren nach außen hin getan haben. Dieses Szenario war absehbar. Jetzt stehen wir an einem Punkt, an dem wir feststellen müssen, dass dieses ganze Gerede von „Free Speech“, dieser ganze libertäre Wahnsinn, der zwischen den Zeilen bei Mark Zuckerberg über die Jahre immer wieder durchgeklungen ist, nicht nur Worte waren, um irgendjemanden zu gefallen, sondern tatsächlich Ausdruck dessen war, wessen Geistes Kind Mark Zuckerberg eigentlich ist.
Bisher war es genau umgekehrt: Nur aus dem Wunsch heraus, irgendwelchen Politikern, der Werbeindustrie und auch Mitarbeiter*innen zu gefallen, wurde von Meta Gemeinschaft beschworen und durch Fakt-Checking-Programme viel Hass und Hetze eingefangen. Das waren aber aus Zuckerbergs Sicht Maßnahmen, damit das Geschäft funktioniert. Er sprach in seinem Ankündigungs-Video vom Eintritt in eine neue Ära. Nun kann er sich endlich so verhalten, wie er das eigentlich immer schon wollte.
Was heißt das für uns in Europa?
Wir werden sehen, was das für Europa bedeutet. Momentan sind diese Ankündigungen erstmal für die USA dramatisch, vor allem die Beerdigung des Fact-Checking-Programms. In Deutschland und überhaupt in Europa gibt es laufende Verträge bis Ende des Jahres.
Facebook und Instagram waren bislang auch nicht so stark Orte des Informationskrieges, wie das bei X (ehemals Twitter) der Fall ist. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Plattformen weiterentwickeln. Als Zivilgesellschaft wären wir gut beraten, uns auf anderen Plattformen ebenso heimisch zu fühlen und uns dort ein digitales Zuhause aufzubauen, wie das bei Facebook und Instagram über die Jahre der Fall war.
Sind diese Entwicklungen überraschend für dich?
Es ist überraschend, mit welcher Geschwindigkeit Mark Zuckerberg diese Dinge umsetzt. Dass er so über die Welt denkt und dass er sich eher dem Libertarismus zugewandt fühlt, das überrascht überhaupt nicht.
Es gab die Drohung von Donald Trump, ihn ins Gefängnis zu stecken, sollte er nicht anders agieren. Ich glaube, jeder ist gut beraten, ein solches Geschwätz von Donald Trump am Ende auch ernst zu nehmen. Aber es ist eben tatsächlich nicht nur wirtschaftlich opportun für ihn, sondern aus unserer Perspektive entspricht das schon der Geisteshaltung von Mark Zuckerberg.
Wir können nur hoffen, dass Institutionen wie zum Beispiel die EU ihm weiterhin Paroli bieten. Und dass sie nicht vor einer Trump-Administration einknicken und zum Beispiel all die Fortschritte, die mit dem Digital Services Act errungen wurden, wieder zurückbauen.
Wie und warum könnte das passieren?
Mark Zuckerberg hat im Podcast bei Joe Rogan von 30 Milliarden Dollar bzw. Euro gesprochen, die die EU dem Silicon Valley an Strafzahlungen aufgebrummt hat. Er sagt, das sind eigentlich Zölle – Zölle für Tech-Dienstleistungen, die das Silicon Valley nach Europa exportiert. Das ist natürlich aus unserer Perspektive eine wahnwitzige Interpretation, aber ich verstehe schon, warum das in der Denkweise von Zuckerberg, dem Silicon Valley und der Trump-Administration Sinn macht.
Die EU muss als großer Wirtschaftsraum mit 400 Millionen Bürgerinnen darauf schauen, dass sie nicht aufgrund dieser Argumentationsweise durch die USA im Gegenzug mit irgendwelchen anderen Strafzöllen belegt werden, was natürlich jedes Wirtschaften ungleich schwieriger machen würde.
Zuckerberg versucht durch diese Annäherung an Trump also Einfluss darauf zu nehmen, dass die USA die EU ein Stück weit in ihre Grenzen verweisen und die Unternehmen im Silicon Valley, allen voran natürlich Facebook, bzw. Meta, nicht zu noch mehr Strafzahlungen verdonnert werden.
Was wären mögliche Folgen dieser Einflussnahme?
Man vergisst immer, dass die EU eigentlich ein maßgeblicher Motor im Hinblick auf die Regulierung von Tech-Unternehmen ist. Die EU setzt die Standards weltweit. Was die EU macht, hat für alle anderen Vorbildcharakter. Wenn die EU jetzt anfängt, einzuknicken und sich wegzuducken, dann gibt es eigentlich kaum eine Institution auf der Welt, die überhaupt noch irgendeine Form von Regulierung von den Tech-Unternehmen anstrebt. Und dann haben wir tatsächlich eine Form von Wilden Westen, der über die Jahre immer hinaufbeschworen wurde, aber eigentlich nie existiert hat. Dann werden die Tech-Unternehmen noch mächtiger, als sie es eh schon sind.
Und was bedeutet das für uns als Social-Media-Konsument*innen?
...
Die Antwort auf diese Frage und den Rest des Interviews findest du unter folgendem Link (kostenlos für alle):
von Jolanda Allram 📧
In der vereinfachten Realität wirtschaftlicher Modelle und Kennzahlen reproduzieren sich Arbeitskräfte ohne Ressourceneinsatz für immer von selbst. Ganz so einfach ist das – offensichtlich – nicht. Doch immer noch lernen Wirtschaftsstudierende, dass das Wichtigste für die Wirtschaft Wachstum und Gewinnmaximierung ist. Und immer noch wird unbezahlte Arbeit wie Care-Arbeit nicht in wirtschaftliche Modelle und Kennzahlen eingerechnet. Das verzerrt den Blick auf die Realität und beeinflusst politische Entscheidungen. Jolanda Allram hat sich angeschaut, was sich in Lehre und Diskurs ändern muss.
Den vollständigen Artikel kannst du hier lesen (exklusiv für Mitglieder)
von Emil Biller 📧
Der ÖVP sind die rechtsextremen „Einzelfälle“ der FPÖ nun auch offiziell wurscht – das lässt sich aus den Aussagen von ÖVP-Obmann Christian Stocker in der Auftakt-Sendung des neuen ORF-Format „Das Gespräch“ am vergangenen Sonntag herauslesen. Im Gespräch mit den Diskutantinnen Heidi Glück und Irmgard Griss sowie Moderatorin Susanne Schnabl erklärte er, nicht für die Handlungen und Aussagen des baldigen Koalitionspartners verantwortlich zu sein. Was sonst noch besprochen wurde und ob es sich lohnt, das neue ORF-Format zu
schauen, kannst du in Emil Billers Fernsehkritik nachlesen.
Den vollständigen Artikel kannst du hier lesen:
Ich tendiere momentan sehr dazu, es der anonymen Bluesky-Nutzerin nach zu machen und mich in mein inneres Biedermeier zurückzuziehen. Und ich glaube vielen Kolleg*innen in der Medienbranche geht es ähnlich. Aber natürlich ist das keine Lösung. In diesen Zeiten braucht es unabhängigen und kontrollierenden Journalismus dringender denn je.
Vielleicht helfen ja auch schon Biedermeier-Wochenenden als Auszeit. Ich habe gehört, neben dem Töpfern ist auch das Erstellen von Diamond-Paintings eine gute Möglichkeit zum Runterkommen. Ich werde das dieses Wochenende gleich mal ausprobieren!
Bis nächste Woche💎
Emil von tag eins
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